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1. Rundbrief vom 6. Mai 2003
Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Frauen und Männer,
Mein erster Rundbrief auf der neuen Homepage und mein erster Rundbrief,
den ich vor meiner Abreise nach Guatemala verschicke.
Noch sitze ich in Zweisimmen. Vorbereiten, Packen, der Garten sollte
noch bearbeitet werden, Holz für den nächsten Winter anschleppen,
Telefon erledigen, Adressen berichtigen, Post abbestellen. Für den
Garten hat es leider nicht mehr gereicht, aber alle Blumen sind
draussen – der Teich im Garten hat eine neue Folie erhalten. Was so 7
Monate verreisen alles nach sich zieht. Ich hoffe, ich habe alle
Adressen.
Es ist warm hier, immer noch 20 Grad und das anfangs Mai in Zweisimmen.
Kaltes und schlechtes Wetter würde mir die Abreise wohl einiges
erleichtern. Und trotzdem, ich freue mich riesig und bin gespannt, was
mich so alles erwartet.
Einiges wird wohl unerwartet auf mich zukommen. Anderes ist schon
geplant. Ich werde wohl als erstes in das Kinderheim
für Kinder mit Behinderungen in Quetzaltenango reisen und mein im
Januar gedrehtes
Video mit den Kindern anschauen – vielleicht drehen wir auch noch etwas
weiter. Sicher werden wir die Seite des Heims auf meiner Homepage
zusammen mit der Leitung und den Kindern gestalten.
Meine Homepage – viel habe ich mir da vorgenommen. Vernetzen, Menschen
ein Gesicht geben, den Gesichertern Namen und Menschen eine Stimme
geben, informieren.....guatesol - das hat etwas mit Guatemala und
Solidarität tu tun. Ich hoffe, ich komme auch genügend ans Netz, sodass
ich Euch immer auf dem laufenden halten kann. Unter Kontakt findet ihr meine Adressen und könnt
mir über das Kontaktformular schreiben, unter
Aktuell ist mein jeweiliger Aufenthaltsort mit Tel.- oder
Fax-Nummern zu sehen und unter Gästebuch
könnt ihr etwas reinschreiben, das dann auch alle lesen können. Dazu
gibt es viele Informationen über verschiedenste Projekte.
Die Weberinnengruppe Flor de Algodon und
die Weberinnenkooperative Ixoquib aj Keem
in Rabinal werde ich besuchen. Mit beiden Gruppen möchte ich je eine
Seite gestalten im Internet mit ihrer Geschichte und auch einige ihrer
gewobenen Produkte im Internet anbieten. Zuvor gilt es aber noch die
Postpreise rauszufinden und eine ungefähre Zeit anzugeben, in der die
bestellten Sachen ausgeliefert werden. So können alle von der Schweiz
aus bestellen und in der Schweiz bezahlen.
Das Familiengartenprojekt in
Purulhá, das wir von der Frauenkulturaustauschreise mitgebracht haben,
wird finanziell von der Kommission für Entwicklung und Missionen der
Gesamtkirchgemeinde Bern unterstützt. Die Frauen in den sechs Dörfern
müssten mit ihren Gärten jetzt schon angefangen haben. Auch von diesem
Projekt werde ich sporadisch auf der Homepage berichten.
Im Juni werde ich im Casa San Benito in Guatemala City ein Video drehen
vom grossen Abschlussfest. Die Schwestern vom Casa San Benito bieten
für etwa 1500 junge Hausangestellte 20 verschiedene
Weiterbildungsmöglichkeiten an – und das alles am Wochenende. Das geht
von Lesen und Schreiben lernen über Strick- und Musikkurse bis hin zu
Computerkursen. Die jungen Hausangestellten organisieren das grosse
Fest selber. Die verschiedenen Arbeiten übernehmen Komitees, die zuvor
demokratisch gewählt wurden. Auch dies gehört zur Ausbildung. Die
meisten der jungen Mädchen werden auf verschiedene Arten brutal
ausgenützt. Die Schwestern versuchen mit Arbeitsverträgen, die in ihrem
Haus und unter ihrer Aufsicht zwischen den Mädchen und den
Arbeitgeberinnen geschlossen werden, die Mädchen zu schützen. Mädchen,
die ihren Job verloren haben, oder wegen Belästigungen geflohen sind,
können bis zu einem neuen Arbeitsort hier wohnen. Auch Stellen werden
hier vermittelt.
Im Casa San Benito wohne ich übrigens immer, wenn ich in der Hauptstadt
bin. Sie haben nämlich dort 15 Doppelzimmer, ein kleiner Hotelbetrieb,
in dem nur Frauen übernachten.
Die meiste Zeit werde ich wohl in meinem Projekt in der
Landwirtschaftsschule in Cahabón verbringen. Die Landwirtschaftsschule bildet 90 junge Männer
zu Bauern und Promotoren aus. Forstlandwirtschaft, ohne Abbrennen der
Felder, mit Erosionsschutz, biologisch und mit Mischkulturen auf den
Feldern. Dazu kommen Kühe, Schweine, Hühner und Enten. Neben der
Landwirtschaft schliessen die jungen Männer auch die Sekundarschule ab.
Meine Arbeit wird es sein, einmal herauszufinden, was da an Gemüse
überhaupt wächst – Tomaten, Rüebli, Salat, Kräuter? Die
Ernährungssituation ist sehr schlecht. Die Menschen in vielen der 165
Dörfer, die zu der Gemeinde Cahabón gehören, haben Hunger und viele
Menschen sind krank und schwach. Die Weltmarkt-Preise des Kaffees sind
so tief, dass kaum jemand Kaffee erntet. Eine grosse
Verdienstmöglichkeit entfällt dadurch. Auch der Preis des Kardamom, den
viele Dörfer angebaut haben, ist von 7 Quetzal 2002 (ca. 1.40) auf 1
Quetzal 2003 (ca. -.20) zusammengefallen. Viel Arbeit und kaum Lohn.
Ich werde Dörfer besuchen und zusammen mit den Frauen versuchen
herauszufinden, was sie dringend brauchen oder sich wünschen.
Familiengärten oder Gemeinschaftsgärten wäre eine Lösung, um die
Ernährungssituation ein bisschen zu verbessern. Brot backen,
Nahrungsmittel konservieren... Unter
Frauenprojekt Cahabón habe ich das Projekt näher beschrieben.
Die paar Monate werden ausgefüllt sein mit spannender Arbeit. Ich freue
mich auf die neue Herausforderung und hoffe, dass ich das Klima ertrage.
Im nächsten Rundbrief werde ich konkretes von meiner Arbeit berichten
können.
Ich warte gespannt auf Eure Post und freue mich über jedes
Lebenszeichen.
Ich wünsche Euch allen eine wunderschöne Zeit. Denkt ab und zu an mich.
Liebe Grüsse. Helen
2. Rundbrief vom 6. Juli 2003
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Frauen und Männer,
seit 3. Juni bin ich nun in Cahabón. Ich bin gut angekommen und es
kommt mir vor, als sei ich schon lange Zeit hier. Das Wetter -
eigentlich ist Regenzeit, aber im Moment regnet es seit Tagen nicht
mehr – ganz im Gegensatz zur Hauptstadt, wo eine Auto-Unterführung
eingestürzt ist und Überschwemmungen an der Tagesordnung sind. Hier verdorren die jungen Pflänzchen langsam oder der Samen
keimt nicht, wenn nicht bewässert werden kann. Wir haben tagsüber
zwischen 34 und 38 Grad, nachts zwischen 22 und 25 Grad. Und 22 Grad
finde ich schon ganz schön kühl! Wie schnell sich doch der Körper
umstellt. Die Luftfeuchtigkeit ist sehr hoch. Ich sitze hier direkt vor
dem Ventilator, um wenigstens während dem Schreiben "trocken" zu sein.
Die Haut ist durch die grosse Feuchtigkeit meist feucht. Die Wäsche
trocknet in der Sonne sehr schnell, aber wenn ich sie über nacht
draussen hängen lasse, ist sie am morgen wieder nass. Jeden morgen ist
dichter Nebel und wenn ich nach Cobán fahre, habe ich an vielen höher
gelegenen Orten Sicht auf ein wunderschönes Nebelmeer.
Um 18.30 spätestens wird es hier dunkel. Dann fangen die verschiedenen
„Konzerte“ an, die oft mit unterschiedlichen Orchestermitgliedern die
ganze Nacht andauern, Frösche, Grillen, Hunde, heisere Hähne und viele
andere Tierchen, die sich in der Nacht bemerkbar machen, dazu die Musik
von den Schülern mit Gitarren und Marimbas oft bis nach 10 Uhr nachts,
das Marimba-Orchester der Quartierkapelle gegenüber und ein modernes
Orchester, das ganz in der Nähe oft probt. Morgens um 2 Uhr kommen die
Hupen der abfahren Busse dazu. Und um ca. 4.30 Uhr morgens fangen
Dutzende verschiedener Vögel an zu musizieren. Um 5.00 ist es schon
hell. Und zwischendurch übertönt der Regen auf dem Blechdach fast alle
anderen Geräusche.
Hier macht der Körper noch nicht ganz mit. Warm und dunkel bedeutet für
meinen Körper so etwa 22 Uhr nachts. Das macht sich dadurch bemerkbar,
dass ich um 19 Uhr schon bettreif bin und mich aufraffen muss, wenn ich
noch arbeiten will. Dazu fällt oft das Licht abends aus und wir gehen
um 19 oder 20 Uhr schlafen.
Seit meiner Ankunft bin ich fleissig am q'eqchi' lernen, der hiesigen
Maya-Sprache, jeden Werktag eine Stunde Unterricht. Eine sehr
schwierige alte Sprache. Aber immerhin bekomme ich schon einige
einfache Sätze zusammen und verstehe einige Worte. (Aussprache: x =
sch, ch = tsch, j=ch, w=kw, ' nicht beachten) "B'ar xatwulak chaq?
Xinwulak chi loq'ok se' li tenamit. K'aru xatloq' chaq? Xinloq' chaq
jun li xtib'el li wa".(Wo warst du? Ich war im Dorf einkaufen. Was hast
du gekauft? Ich habe Essen gekauft.) Ich kann die Worte nirgends
festmachen und brauche bei diversen Worten teils lustige Eselsbrücken,
z.B. Kuh-Bank = k'uub'ank = kochen, organisieren oder Zwieback =
tz'iib'ak = schreiben. Seltsam, aber so funktioniert es. Alle Verben
sind 1 oder 2 silbig und enden mit k. Viele sind sich sehr ähnlich. Wie
auch die Substantive: is = Süsskartoffel, ik = Chile, it = Hinterteil,
u = Gesicht, e = Mund, a’ = Fuss, o = Avocado. Auch gibt es viele
zusammengesetzte Substantive, wie zum Beispiel die Wörter für neue
Sachen, kaxlan wa = Tortilla der Fremden = Brot, kaxlan mu = Schatten
von fremden Personen = Fernseher. Ich hoffe, dass ich in 2-3 Wochen
Dörfer besuchen kann und wenigstens einige Sätze mit den Frauen, die
kaum spanisch reden, austauschen kann.
Aber nach meiner Ankunft hier habe ich erst einmal mein Zimmer
gestrichen - melone und weiss. Das bedeutete Farbe kaufen, weiss und
rot in Cobán, wir wollten nur das weiss brechen. Laut Verkäufer sollte
ich die kleine Büchse rot in den grossen Kübel weiss leeren. Aber schon
nach einer halben Büchse rot zeigte sich ein schrilles rosarot. Oh
Schreck, also nach Cahabón nach gelber Farbe suchen, was gar nicht so
einfach ist. Im vielleicht 10. Laden habe ich dann eine Büchse der
gelben Farbe gefunden. Fast mit der ganzen Büchse gelb war das rosarot
zu retten und ergab eine schöne Honigmelonen-Farbe. Danach habe ich
mich eingerichtet. Bilder und Fotos aufgehängt, das Bett in der
richtigen Ecke platziert, abgeschirmt gegen neugierige Blicke mit einem
Tuch, Scanner, Drucker und Laptop installiert und die Bücher
eingeordnet. Jetzt gefällt mein Zimmer und schon bald werden wir
auch den ganzen Tag Wasser haben mit Hilfe eines Tanks. Das Wasser
kommt hier meist 3 mal am Tag für etwa 30 Minuten mit Glück; das
erstemal um ca. 4 Uhr morgens, dann vielleicht um 11 Uhr und mit etwas
Glück nochmals um 20 oder 21 Uhr. Das bedeutet Kübel füllen, Waschtröge
füllen, Pfannen füllen, sobald das Wasser kommt. Der Strom, das ist
eine andere Sache. Seit ein spanisches Unternehmen die Stromversorgung
gekauft hat, klappt nicht mehr viel. Fast jeden Tag haben wir
Stromausfall, wie auch jetzt wieder, knapp 14 Uhr. (Ich arbeite noch
mit der Batterie des Laptops weiter). Dann funktioniert kein Telefon,
keine Wasserpumpe des Dorfes, kein Kühlschrank...... Manchmal für
einige Stunden, manchmal für 1-3 Tage. Das ist ein Problem auch für die
wenige Industrie, die hier in er Nähe angesiedelt ist und für die
vielen Restaurants.
Hier in der Landwirtschaftsschule
unterrichten 3 Lehrer praktische Landwirtschaft, 5 Lehrer die üblichen
Fächer der Sekundarschule und Andrea Hess (aus Uzwil, ist für 9 Monate
hier) Schreibmaschinen-Schreiben. Halbtags arbeiten die Schüler auf dem
Feld oder verpflegen die Hühner, Schweine und Kühe. Den anderen Halbtag
drücken die Jungen die Schulbank, Rechnen, Spanisch, Q’eqchi’,
Buchhaltung, Schreibmaschine, Sport, Gestalten, Geschichte,
Maya-Kultur, Landwirtschaft je nach Klasse. Morgens um 5 stehen alle
auf, dann ist Putzen angesagt – 90 Schüler machen auch viel Dreck –
Schlafsäle, Wege, Essräume, Schulräume... Danach gibt’s Frühstück. Ab
7.30 Schule oder Feldarbeit bis um 11 Uhr. Um 13 Uhr Mittagessen, ab 14
Uhr wieder Schule oder Feldarbeit bis 17 Uhr. Ca. 18.30 Essen, danach
Gebet in der Kapelle, Aufgaben bis 22 Uhr und ab ins Bett. Es ist schon
bald wieder 5 Uhr früh. Am Samstag arbeiten die Schüler auf dem Feld.
Am Sonntag ist frei. Jeder Schüler bezahlt ca. 60 Sfr Schulgeld pro
Jahr. Die Feldarbeit ist einerseits ihr Beitrag zur Verpflegung der
Schüler, andererseits lernen sie das meiste über die ökologische
angepasste Landwirtschaft direkt auf dem Feld. Jeder Schüler hat neben
der allgemeinen Arbeit auf den Feldern eine eigene Parzelle, auf der er
nach Plan anbaut und ausprobieren kann.
Ich habe mit den Landwirtschaftslehrern die ganzen Felder und
Anpflanzungen angeschaut und viel diskutiert. Jetzt habe ich hinter dem
Gästehaus einen Versuchsgarten angefangen. Zuerst wurde der Boden mit
einer Maschine ......... unterdessen ist es 21 Uhr abends – meine
Batterie des Laptop war bald am Ende – und jetzt ist endlich wieder
Licht.....und es regnet seit ca. 2 Stunden, welch ein Segen......
bearbeitet, bzw. gelockert. Auf diesem Stück Boden wurde noch nichts
angepflanzt, das heisst, der Boden wurde noch nie bearbeitet. Als
nächstes haben die Schüler Schubkarrenweise Kompost auf dem Stück Land
verteilt und einen grossen Sack eigenen Kuhmist-Kompost und einen
grossen Sack Hühnermist-Kompost hingestellt. Nun war ich an der Reihe.
Gartenbeete vorbereiten. Mit der Hacke den schon wieder harten Boden
aufbrechen und von Hand mit dem auf dem Boden verteilten Kompost
mischen. Wird die Erde trocken, ist sie hart wie Stein, wird sie nass,
kann man mit ihr Figuren kneten. Es ist harte Arbeit und bald einmal
kam mir die Bibelstelle in den Sinn: Gen 3,18..“Dornen und Disteln
werden auf deinem Acker wachsen. Dein Leben lang wirst du hart
arbeiten. Viel Mühe und Schweiss wird es dich kosten.“ Schon beim
Streichen des Zimmers tropfte mein Schweiss in den Farbeimer. Jetzt auf
dem Feld läuft der Schweiss in Bächen an mir herunter. Gegen Abend
setzen sich die Falter auf mich und schlürfen das Salzwasser. Das
scheint ihnen zu schmecken – mich kitzelt es. Ist das Gartenbeet
einigermassen aufgelockert, sähe ich in Rillen und gebe zu jeder Saat
eine Mischung aus 3 Teile Kuhmist-Kompost, 1 Teil Hühnermistkompost und
10 Teile schwarze Erde dazu. Die harte Arbeit lohnt sich bis jetzt.
Einiges zeigt sich schon, obwohl ich erst vor 8 Tagen angefangen habe.
Den Stangenbohnen scheint das Klima bis jetzt sehr gut zu gefallen und
auch die Kefen, die Kohlrabi, der Kressig, die Kürbisse, Honigmelonen
und Zucchetti spriessen fleissig. Vorgestern habe ich Tomaten gesät.
Jetzt warte ich gespannt. Vor etwa 10 Tagen habe ich Kartoffeln an den
Hang vor dem Haus gesetzt. Bis jetzt fehlte jeder Regen und zum
Bewässern ein Schlauch. Ich bin gespannt, ob hier Kartoffeln wachsen.
Mal schauen, ob der Regen hilft. Allerdings ist im Moment die falsche
Zeit für Tomaten, Kürbisse, Kartoffeln...... denn der grosse Regen
fängt jetzt an – oder sollte anfangen. Aber zum ausprobieren, was
überhaupt wächst hier an Neuem, sollte es reichen. Wenn es zuviel
regnet, werden wir vieles mit Palmblättern überdachen. Hier ist jetzt
die Zeit für die Aussaat des Mais und der schwarzen Bohnen.
Zu meinen Füssen sitzt Meitli, eine 6-monatige Schäferhündin ohne
jegliche Erziehung, wie ihr gleichaltriger Bruder Halunk. Ich soll sie
erziehen und an das Haus gewöhnen. Meist ist noch Rambo bei ihnen, ein
etwa gleichaltriger hellbrauner Mischling. Dann geht es hoch hin und
her. Um 5 Uhr morgens wecken mich die drei und wollen Fressen und
Spielen. Dann heisst es Schuhe und anderes retten. Aber sie sind
intelligent und werden schnell lernen!! hoffe ich. Und sie sind sehr
anhänglich. Sie sollen uns hier auch bewachen. Ich möchte sie aber
nicht anbinden, sondern schauen, dass sie freiwillig hier bleiben.
Es ist bald 22 Uhr und es regnet weiter in Strömen. Morgen früh um 5
werde ich nach Cobán fahren, um die Homepage aktualisieren und den
Rundbrief wegzuschicken. Bei diesem Wetter wohl 4 Stunden Fahrt. Dann
Einkaufen, Metall laden für Silobau, Bank, Samen und Setzlinge zusammen
mit einem der Landwirtschaftslehrer kaufen und wieder zurück nach
Cahabón. Es wird ein langer Tag werden.
Hier vergeht eine Woche genau so schnell wie in der Schweiz - seltsam,
wo doch sonst alles so langsam geht.
Ich hoffe, dass es Euch allen gut geht und dass ich bald einmal von
Euch höre.
Viele liebe Grüsse an alle. Helen Hagemann
Auf der Startseite kommt ihr mit den Knopf
(schwarz/weisses Frauengesicht) zu wunderschönen Frauengesichtern.
3. Rundbrief vom 10.
Oktober 2003
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Frauen und Männer,
seit letzten Freitag bin ich hier im Casa San Benito in der Hauptstadt,
um die Formulierung meines Projekt
anzupassen, Guatemala-Reisen zum
Ausschreiben vorzubereiten, einen Antrag um Unterstützung zu schreiben,
einen neuen Rundbrief zu schreiben und das alles auf meine Homepage zu
laden und die Rundbriefe per Mail zu verschicken. In Cahabón komme ich
einfach nicht dazu. Ihr habt recht gelesen, ich habe mich entschlossen,
länger hier zu bleiben. Aber davon später. Am Samstag war ich kurz in
San Salvador. Ich muss mit meinem Pass alle drei Monate ausreisen.
Eigentlich wollte ich 1 oder 2 Tage ans Meer, aber das Wetter war so
schlecht, dass ich nach 3 Stunden wieder zurückgefahren bin. Das
bedeutete 11 Stunden Bus fahren. Eigentlich gar nicht so schlimm, ich
habe mich daran gewöhnt. Die Wege hier sind einfach lang - nicht
kilometermässig aber zeitmässig.
Am Sonntag fing ich den Rundbrief an zu schreiben - aber nach einem
Satz musste ich ein wenig raus. Also lief ich Richtung Parque Central -
den Hauptplatz im Zentrum, vor der Kathedrale und dem
Präsidentenpalast. Er ist nur 6 Strassenblocks von hier entfernt. Es
war still, als ich aus dem Haus kam, die Strassen fast menschenleer,
auf den Hauptverkehrsachsen der Busse 2 und 4 Blocks weiter, waren kaum
Busse zu sehen. Kein Gestank, kein Lärm und gute Luft. Es ist eben
Sonntag. Hinter der Nationalbibliothek, ein Block vor dem Parque
Central, fanden sich schon viel mehr Menschen und vor allem, und ich
hatte das Gefühl, bei jedem Schritt den Regler der Lautstärke etwas
höher zu drehen. Als erstes nahm ich klar jazzige Töne war, fand aber
die Musik nicht. Es muss aber ein Kandidat für die Bürgermeisterwahlen
gewesen sein (am 9. November sind Wahlen) - denn gestern sah ich den
Herrn lächelnd in der Strasse, Daumen nach oben, mit dem Kopf
begeistern allen zunickend, begleitet von Herren, die so etwas wie Jazz
spielten. Es tönte haargenau gleich wie am Sonntag. Ich wunderte ich
mich, wie lange ein Mensch diese anstrengende Maske von strahlendem
Lächeln aufrecht erhalten kann! Irgendwann, wenn es vielleicht niemand
sieht, macht es pfffff - und die Luft, bzw. das Lächeln entschwindet,
ein leeres Gesicht bleibt zurück.
Etwas weiter, anfangs Platz sitzen
die Zeitungsverkäufer und es gibt einige kleine Küchenrestaurants, die
jeden Tag da sind und recht viele auf den Bus wartende Menschen. Doch
dann gehts los. Mit jedem Schritt kommt ein neues Geräusch dazu. Ein
Sektenprediger, ein paar Meter daneben preist ein Mann etwas mit
Lautsprecher einer Traube von Menschen an. Gleich daneben die nächste
"Kirche". Die haben sehr gute Musik und eine Indigena in Tracht singt
mit Tränen in den Augen und mit Gospelstimme ihre Bitten an Gott. Ein
paar Meter daneben der erste Wahlbus mit Lautsprechern und recht
angenehmer Musik, nicht zu laut (UNE). Gegenüber der nächste Wahlbus,
mit schriller, lauter Musik (GANA). Junge Mädchen mit der Parteifahne
und in Uniform tanzen zu der Musik. Ein Obdachloser hat sich eine der
Fahnen organisiert und tanzt begeistert mit.
Etwas weiter die erste
Wahrsagerin, mit einer grossen Schlange, der Kreis der umstehenden
Leute ist noch offen. In den nächsten Kreis kann ich vor lauter Leuten
nicht mehr hineinschauen. Es scheint ein Heiler zu sein, der
verspricht, den zu heilen, der im Kreis steht und zum Beispiel Krebs
hat, oder die Ehe der Frau zu kitten, die im Kreis steht und deren Mann
gestern nacht abgehauen ist.
In weiteren Kreisen, die nur aus Männern
bestehen, werden Potenzmittel angepriesen und daneben immer wieder ein
Prediger, der mit Megaphon oder mit Radiolautsprechern zu mehr oder
weniger Leuten predigt. Meist mit lauter, schimpfender Stimme, den
Leuten die Hölle oder den allmächtigen Gott androht und ihnen ihre
vielen Sünden vorhält.
Jetzt kommen die zwei laufenden, grossen
Spring-Brunnen ins Gesichtsfeld. Die Tauben, die sonst den Platz
bevölkern wie in Venedig, haben am Sonntag keine Ruhe. Man kann überall
Taubenfutter kaufen. Aber die vielen Kinder haben ihren Spass daran,
den Vögeln nachzuspringen und sie zum Fliegen zu bringen.
Auf der
linken Seite stehen wie fast jeden Sonntag etwa 60 Marktstände, die vor
allem Trachtenkleider verkaufen. Wunderschön farbige bestickte Blusen
und Schürzen. Gegen die Mitte des Platzes stehen einige Rösser, Ponys,
Fohlen und ein Schaf - natürlich aus Holz. Mit einer Leiter steigt ein
schon älterer Herr sehr vorsichtig auf eines der Rösser, wie wenn er
Angst hätte, dass es gleich davon galoppiert. Der Photograph wird von
ihm ein Foto schiessen, wenn er oben ist. Als Hintergrund für ihn
dienst einer der Springbrunnen. Es gibt aber auch viele andere, auf
Karton aufgemalte Hintergründe für die Fotos. Ein Wasserfall, eine
Blumenwiese mit Vögeln, ein Wald mit einem echten kleinen Springbrunnen
davor, der immer wieder mit einem Generator angestellt wird. Auch das
pferdebraune Holz-Schaf wartet geduldig auf Kundschaft.
Zwischen all
den Kulissen und Rössern ein Mann, der Naturheilkräuter verkauft. Schön
dargeboten sind die Heilkräuter und Rinden in ca. 30 cm grossen
Säckchen auf einem Grünen grossen Tuch präsentiert.
Gegen den
Präsidentenpalast zwei grosse improvisierte Zelte mit Menschen, die
gegen etwas demonstrieren. Etwas weiter gegen die Kathedrale stehen
unzählige kleine Restaurants mit mehr oder weniger Tischen. Hier wird
direkt vor den Kunden gekocht. Auf den Steinbänken lassen sich Herren
ihre Cowboystiefel oder schwarzen Schuhe blank putzen. Saubere,
spiegelglänzende Schuhe sind wie ein Statussymbol.
Die Steinbänke sind
voll von Menschen, Frauen, Männer, Kinder, Alte und Junge, viele als
Familien unterwegs, die etwas ausruhen, etwas essen oder etwas
verkaufen wollen. Weiter drüben ziehen zwei Clowns viele Leute an. Sie
bringen mit ihren Spässen die Menschen zum lachen. Auf dieser Seite
sind heute kaum Prediger oder Kirchen anzutreffen. Und zwischen all den
vielen Dingen flanieren Hunderte Indigena Hausmädchen in ihren Trachten
zu zweit oder zu dritt, manchmal auch mit einem Freund über den Platz
voller Leben und geniessen ihre kurze Freiheit.
Familien mit Kindern,
Ladinos, Indigenas, alles vermischt sich hier am Sonntag. Nur die
reichen, schönen fehlen. Aber denen wäre es wohl auf diesem Platz, der
vor lauter Leben fast platzt, sowieso nicht wohl.
Obwohl die Sonne
scheint, ist der Himmel gleich daneben knallschwarz. Vor einiger Zeit
hat es auch gedonnert und es weht ein Wind wie kurz vor einem Gewitter.
Doch es zieht irgendwo anders weiter, hier bleibt es trocken und auch
der Wind legt sich wieder. Es ist ein Kommen und Gehen, Kaufen, Gesehen
werden, Flanieren, Staunen, Fotografiert werden auf einem der Rösser,
Essen, Trinken. Dazwischen immer wieder die Glöckchen der
Glaceverkäufer, die kleinen Stände mit Öfen der
Maiskolberverkäuferinnen und Bauchladenverkäufer. Eine Mutter kommt mir
entgegen mit ihren zwei Söhnen, die in Tracht und vielleicht etwa 150
cm gross, die Jungs modern angezogen und sicher 170 cm gross, die sich
rührend um ihre Mutter kümmern.
Langsam gehe ich zurück. Drehe mich
noch einmal um, um das Leben einzusaugen und gehe langsam nach hause.
Der Lautstärkenregler dreht sich wie von selbst wieder zurück, bis er
fast bei total Stille angekommen ist und ich wieder in Haus hineingehe.
Jetzt mag ich wieder weiter arbeiten. Also ich habe mich entschieden,
länger in Cahabón zu bleiben. Mein Gemüsegarten hat rechte Fortschritte
gemacht. Allerdings ist nicht alles gekommen, was ich damals gesetzt
habe. Den Stangenbohnen habe ich wohl zuwenig Wasser gegeben, sie sind früh
verdorrt und hatten dadurch nur wenige Bohnen, und auch die Kefen, die
ja auch bei uns nicht einfach zu pflanzen sind, haben mich nicht
befriedigt. Die Buschbohnen, Kohlrabi, Kressig, Rüebli, Peperoni,
Knoblauch, Peterli, Krautstiele, das Basilikum und die Sonnenblumen
wachsen gut. Kürbisse, Honigmelonen und Zucchetti sind seltsamerweise
einfach vertrocknet, nachdem sie zuerst schön gewachsen sind. Halt nein
- ein paar wenige Melonen haben kleine Früchte, schauen ob sie reifen.
Tomaten kann ich auch schon bald ernten und Salat! Den Kartoffeln hat
sicher das Wasser gefehlt. Leider hat es nicht viel geregnet, sondern
viel zu wenig. Aber ich bin sehr zufrieden mit den Resultaten in so
kurzer Zeit. Schliesslich wächst hier laut Aussagen nichts. Es braucht
aber noch längere Zeit um herauszufinden, was wo wann am besten wächst.
Schatten, Sonne, Halbschatten - viel Wasser - wenig Wasser? Aber
immerhin, es wächst. Im Projektbeschrieb
steht noch etwas mehr und sind vor allem Fotos mehr Fotos zu sehen.
Mein q'eqchi' hat einige Fortschritte gemacht. Es bleibt aber
schwierig. Immerhin verstehe ich jetzt schon ab und zu ganze Sätze.
Aber die Sprachlogik habe ich noch nicht ganz begriffen. Und wenn ich
nachfrage warum so und nicht anders, ist die Antwort oft: "Es ist
einfach so, ich weiss auch nicht warum." Eine Grammatik gibt es ja erst
seit ca. 10 Jahren und sie ist ständig am weiterentwickeln, genauso wie
die Schreibweise der Wörter.
Seit etwa 4 Wochen gehe ich mit 2 Q'eqchi' Frauen von UNICAM, einer
Cahaboner Institution in die Dörfer. Sie haben in 30 der 160 Dörfern
schon organisierte Frauengruppen und arbeiten mit ihnen vor allem
politisch. Menschen- und Frauenrechte, die eigenen Rechte in den
Dörfern, Stärkung des Selbstbewusstseins, Teilnahme in den
Leitungsstrukturen der Aldeas... man merkt klar, in welchen Aldeas die
Frauen organisiert sind. Ich konnte mich und meine Ideen in den
besuchten Dörfern jeweils vorstellen und schauen, wie die Frauen
reagieren. Und ich habe gemerkt, dass sie sehr interessiert sind, etwas
zu lernen. Aber auf eine begleitete Weise, so wie ich es angeboten
habe. Ich glaube, wir werden eng zusammenarbeiten, sie schulen im
politischen Teil und ich im Handwerklichen - Familiengärten, Brot und
Kuchen backen, nähen, Häkeln. Ich glaube, ich kann hier wirklich etwas
arbeiten und den Menschen weitergeben, das den Menschen hier nützt und
ihr Lebensstandard etwas anhebt - wenigstens soweit, dass es keinen
Hunger mehr gibt.
Von der Schule habe ich den Auftrag, mit den Müttern der Schüler zu
arbeiten. Es sind dieselben Themen - Familiengärten, Brot, Hygiene und
die Mütter sollten wissen, was ihr Söhne so lernen in der
Landwirtschaftsschule. Eine deutsche Institution wird wahrscheinlich
die Kosten für ein Schlafzimmer/Büro, Wohn/Küchenraum und eine
überdeckte Veranda übernehmen. Die Küche/Wohnraum dient auch als
Versuchsküche und als Kursraum für kleinere Gruppe. Auch ein Auto und
eine Dolmetscherin/Begleiterin wird bezahlt und ein kleiner Zustupf an
meine Lebenskosten in Guatemala. Aber es wird nicht reichen zum Leben,
vor allem, wenn ich die Q'eqchi' Stunden selber bezahlen muss.
Das Projekt mit den Familiengärten in
Purulhá, das die Gesamtkirchgemeinde Bern bezahlt hat, macht
riesige Fortschritte. Jedes der 6 Dörfer hat eine grosse Demo-Parzelle
angelegt, wo alle gemeinsam arbeiten und lernen, wie sie das Gemüse
biologisch anbauen, biologisch Schädlinge bekämpfen und organischen
Dünger herstellen. Jede der Frauen hat schon ihren eigenen
Familiengarten in Nähe des Hauses angelegt. Die meisten Parzellen sind
in Terrassenform und so weit herum sichtbar. Anfangs November werden
uns Frauen aus Purulhá in Cahabón 2 Tage besuchen. Sie wohnen zwar 170
km weit weg, sprechen aber auch q'eqchi'. Wir werden zuerst 2 Dörfer
hier besuchen und am 2. Tag werden 30 Vertreterinnen der hiesigen
Frauengruppen zu einem Austausch in die Schule kommen. Danach werden
wir gemeinsam die Schule besichtigen.
Meitli und Halunk, das junge Schäferhundpäärchen vermisse ich hier. Sie
sind etwas folgsamer geworden und fressen schon nicht mehr soviel
Schuhe. Rambo, der hellbraune Mischling ist verschwunden. Und ich hatte
Glück. Meitli ist mir ins Auto gelaufen und konnte nicht mehr laufen.
Aber zum Glück war es nur eine sehr starke Prellung - Tierärzte gibt es
hier nicht - so haben wir Antibiotika gespritzt und gehofft und
gewartet, dass es besser wird. Unterdessen rennt sie wieder und vor
allem, sie spielt wieder mit Halunk, der sich in der Zeit sehr
verlassen fühlte. Etwa 4 Wochen lang, liess sie ihn nicht in ihre Nähe.
Und nun heisst es für mich, anfangen zu betteln und auf Geldsuche zu
gehen. Dass ich Geld finde, das ist eine der Voraussetzungen, dass ich
hier bleiben kann. Für meinen Lebensunterhalt und für kleinere
Projekte. Darum werde ich halt ab jetzt immer meine Kontonummer auf
jedem Rundbrief angeben, mit der Bitte, ab und zu doch an mich zu
denken. Ich habe mich auch entschlossen,
Guatemala-Reisen anzubieten, um etwas zu meinem Lebensunterhalt
beitragen zu können. 3 Reisen habe ich bis jetzt ausgearbeitet. Die
erste Reise ab 16. Dezember - allerdings nur etwas für
Schnellentschlossene - Anmeldefrist ist der 10.
November. Weihnachten in Cahabón und Neujahr in Tikal, mitten im
Regenwald. Die zweite Reise ab 2. April mit Karwoche und Ostern in
verschiedenen Orten, in denen die Traditionen noch stark gelebt werden.
Die dritte Reise ab 3. Juli mit Schwerpunkt Mayareligion. Ich
wäre sehr froh, wenn Ihr für die Reisen Reklame machen könntet. So
könnte ich wenigsten einen Teil meiner fixen Kosten auf gute Art
verdienen.
Am 30. November werde ich in die Schweiz fliegen, um alles für eine
längere Abwesenheit zu regeln. Im nächsten März dann wieder nach
Guatemala zurück. Vielleicht klappt es ja auch mit der Reise vom 16.
Dezember bis 6. Januar 2004. Dann wäre ich natürlich weg. Aber sonst
hoffe ich, dass ich doch einige von Euch sehen oder zumindest hören
werden.
Ich hoffe, dass es Euch allen gut geht und vielleicht bis in der
Schweiz. Oder wer weiss, vielleicht auf einer der Guatemala-Reisen.
Viele liebe Grüsse an alle. Helen Hagemann
Spendenkonten – Obersimment.
Volksbank,CH- 3770 Zweisimmen Kto: 16 2.010.739.00 6327 /mein PC-Konto:
49-8882-5
4. Rundbrief vom 10. April
2004
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Frauen und Männer,
ich bin hier gut angekommen in Guatemala und voll bei der Arbeit. Nach
fast 3 Wochen kühl und eher regnerisch - kühl bedeutet hier zwischen 17
Grad nachts (mit Pyjama) und etwa 28-30 Grad, wenn die Sonne scheint -
hat der Sommer mit 4 Wochen Verspätung mit grosser Hitze Einzug
gehalten. Pyjama ade und bis 40 Grad im Schatten. Regnen wird es wohl
kaum mehr bis im Juni oder nur selten. Jetzt ist die Zeit, in der hier
Melonen, Gurken, Tomaten und Kürbisse gepflanzt werden, weil diese eher
trockenes Wetter bevorzugen. Die Maisernte hat angefangen.
Es ist Karfreitag um die Mittagszeit. Ich sitze im Büro unter einem
grossen Ventilator. Die ganze Woche schon gibt es hier in Cahabón
Prozessionen. Gestern nacht verliess eine Prozession die Kirche um ca.
21.00 Richtung Friedhof. Zuvorderst einige "Würdenträger" - Cofraden -
in violett gekleidet, Ratschen, einige wenige Trommeln und eine Pauke.
Frauen mit Kerzen und dann das Hauptbild: Jesus im Ölberg, betend,
getragen von vielleicht 24 Männern, begleitet von weiteren 100 Männern
alle in denselben violetten Kleidern. Gut anderthalb Stunden werden sie
bis zum Friedhof unterwegs sein in einem sehr langsamen Schritt. Die
Träger der Bildes werden immer wieder gewechselt. Das Bild ist
beleuchtet mit 4 Lampen, die durch einen mitgetragenen, leisen
Generator gespeist werden. Dahinter wird eine Statue des Petrus
getragen, die Schlüssel in der Hand aber neben sich auch einen grossen
Hahn. Durch ein Megaphon tönt Karfreitagsmusik und immer wieder Gesang.
Musik ab mitgetragenem Radio, bzw. Kassette, der Gesang life. Viele
Menschen laufen mit oder warten am Wegrand auf die Prozession.
Angekommen auf dem Friedhof wird Jesus abgestellt zum beten und schon
bald erscheinen die Römer, um Jesus gefangen zu nehmen und jetzt geht
der ganze Zug im Eiltempo wieder zurück zur Kirche, Pauke voran und die
Römer mit dem "gefangenen" Jesus Bild. So um Mitternacht kamen sie in
die Kirche zurück.
Das Dorf ist voller Menschen. Wo die wohl alle schlafen?
Heute Karfreitag ist fast der ganze Tag Prozessionen und Messe
gewidmet.Die erste Prozession beginnt um 8 Uhr morgens. Um 15 Uhr ist
eine grosse Messe und um 18 Uhr die grosse Karfreitagsprozession bis
weit nach Mitternacht.
Meine Arbeit mit den Frauen und den Familiengärten ist in vollem Gang.
2 Q'eqchi' Frauen arbeiten zu 100% mit mir. Im Moment bereiten wir die
Kurse vor und fangen an, die vielen Samen zu säen, die ich aus der
Schweiz mitgenommen habe. Am 21. April erwarten wir viele Mütter der
Schüler, die zu einer ersten Orientierung hier in die Schule kommen und
lernen, was es so alles braucht, um Gemüse anzupflanzen und wie man
Kompost macht. Am 28. April erwarten wir je 2 Vertreterinnen aus 7
Weilern, die dasselbe lernen werden. Danach werden wir jede Mutter und
die Weiler besuchen, um mit ihnen je den besten Ort für den
Gemüsegarten auszusuchen und mit ihnen weiter arbeiten. Ab nächster
Woche besuchen wir fast jeden Tag Frauengruppen in einem anderen Dorf,
um das Interesse zu wecken. Ich bin gespannt, wie die Frauen reagieren
und ob sie wirklich die grosse Arbeit auf sich nehmen, einen Garten
anzulegen. Ein Garten verlangt hier einiges mehr an Arbeit, als in der
Schweiz, schon nur bis der Boden vorbereitet ist. Aber bis jetzt zeigen
die Frauen sehr viel Interesse und möchten am liebsten schon heute
anfange. Aber zuerst muss leider der Kompost reifen, ohne Kompost
wächst hier nichts, der Boden bearbeitet und ein Zaun errichtet werden.
Sonst hätten wohl mehr die Hühner und Schweinchen ihre Freude am Gemüse
als die Frauen.
Bald werde ich mehr zu schreiben haben. Bitte vergesst nicht, meine
Mail-Adresse zu ändern: helen.hagemann@guatesol.ch.
Liebe heisse Grüsse. Helen
Übrigens wir haben hier eine neue Telefon-Nummer, die langsam bezahlbar
ist und auch viel besser funktioniert:
00502 983 18 55.
Spendenkonten – Obersimment.
Volksbank,CH- 3770 Zweisimmen Kto: 16 2.010.739.00 6327 /mein PC-Konto:
49-8882-5
5.
Rundbrief von anfangs September 2004
Cahabón, anfangs September 2004
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Frauen und Männer,
wieder habe ich keine Zeit, persönliche Briefe zu verschicken, deshalb
der Rundbrief. Es tut mir sehr leid, ich habe mir das etwas anders
vorgestellt. Aber die Zeit ist ausgefüllt mit Besuchen in den Dörfern
und wenn ich einmal Zeit hätte, ist sicher wieder einmal der Strom weg
oder ich bin einfach zu müde. Auf der Homepage sind noch Fotos zum
Rundbrief und weitere Informationen und Fotos unter dem Frauenprojekt
zu finden.
...es ist mitten im August, der Boden pflotschig nass. Ich habe meine
Wanderschuhe an, meine 2 Promotorinnen wie immer ihre Plastiksandalen.
Wir sind in Belén auf dem Weg zur Familie Xó-Pop, die im Mai angefangen
hat, einen Gemüsegarten anzulegen. Vom „Parkplatz“ mitten im dichten
Wald geht es zuerst einen kurzen Steilhang hinunter, dann kommt die
Überquerung des Flüsschens. In trockenem Zustand schon etwas schwierig,
aber jetzt, mit den Schuhsohlen voll Pflotsch ist die Überquerung auf 5
langen Bambusstangen ohne Geländer eine ziemlich glitschige Sache. Doch
wir schaffen es und der Weg dem Fluss entlang ist eben und sehr schön
gelegen, mitten im Wald.
Ich habe ein mulmiges Gefühl im Bauch. Ob wohl etwas gekeimt ist. Bei
unsrem letzten Besuch, war noch sehr wenig zu sehen und die Menschen
etwas enttäuscht. Nach etwa 10 Minuten kommen wir auf einen offen Platz
– Schulgebäude, Tschuttiplatz, Kuhweide – auf der anderen Seite wieder
steil und rutschig hinauf zu den Häusern.
Mitten im Steilhang bemerke ich einen neuen, grossen umzäunten und
gesäuberten Platz. Der Mann, der am Arbeiten ist, spricht uns an; er
möchte gerne von uns Koriander- und anderen Samen kaufen, weil er auch
einen Gemüsegarten anlegen möchte. Aha denke ich zuerst einmal, es
scheint also etwas zu wachsen im Gemüsegarten der Familie Xó-Pop. Da
mein q’eqchi’ noch lange nicht ausreicht, diskutieren Irma und Magda,
die 2 Promotorinnen lange mit ihm und seinem erwachsenen Sohn und
erklären ihnen, dass das viel Arbeit ist und zuerst einmal gelernt sein
will. Wir laden sie zu unserem nächsten Anfängerkurs im Oktober ein,
damit er und seine Frau den Gemüseanbau von Anfang an lernen können.
Dann werden wir ihnen auch Samen verkaufen und helfen, wenn etwas nicht
so ganz gut läuft.
Mitten in der Diskussion sehe ich Don Onofre Xó strahlend an der
Hausecke des ersten Hauses stehen. Mir wird immer wohler im kribbeligen
Bauch und meine Neugier wächst. Endlich können wir uns losreissen,
begrüssen den strahlenden Don Onofre und gehen an vier Häusern vorbei
zu seinem Haus, wo uns schon die ganze Familie erwartet. Doña Luisa
Pop, der 2. älteste Sohn, die ältere Tochter, 3 mittlere Kinder und ein
Bébé. Mario der älteste Sohn geht bei uns in die Landwirtschaftsschule.
Da wir sehr schmutzige Schuhe haben, mache ich den Vorschlag, zuerst
einmal den Garten zu besichtigen. Und jetzt sehe ich, warum Don Onofre
so gestrahlt hat: die Bohnen sind bereit zur Ernte, genau so wie die
Gurken, die Radiesli sind schon fast alle gegessen. Vieles ist gekeimt
und gut am Wachsen: Rüebli, Sesam, Mangold, Randen, Weisskohl,
Zwiebeln, Pak Choi (Kohlblätter). Daneben wachsen Süsskartoffeln,
Tomaten und einheimisches Gewürz.
Wir
gehen zu den wunderschön gewachsenen Gurken, die mit Hilfe eines
Gerüsts nach oben wachsen und entdecken 4 grosse, reife Gurken. Und
jetzt kommt die bange Frage: Was isst man von den Gurken, die Blätter,
die Wurzeln oder die grünen Dinger? Schnell schneiden wir eine grosse
Gurke ab und Irma verschwindet in der Küche mit der älteren Tochter.
Unterdessen sitzen wir im Wohn-, Schlafraum und die ganze Familie
ausser der Tochter mit uns und wartet mit fragenden und bangen Blicken.
Ob das Zeugs wohl essbar ist? Irma kommt zurück mit dem Gurkensalat:
die geschnittenen Gurken mit Zitronensaft und Salz. Sie bietet es erst
dem Vater an, dann den Kindern, dann dem älteren Sohn, dann der Mutter
– doch oh Schreck, niemand will probieren. Da greife ich zu, auch Irma
und Magda und das scheint den Bann zu brechen. Zuerst knabbert der
ältere Sohn Mario sehr vorsichtig an einem Gurkenrädchen, dann die
Kinder, der Vater, das Bébé und plötzlich stürzen sich alle auf den
Salat, der im Nu ausgegessen ist. Allen scheint es gehr gut zu
schmecken, nur die Mutter getraut sich nicht, obwohl sie dem Bébé davon
zu essen gibt. Nach vielen Sprüchen und Gelächter meint sie, dass sie
wohl nachts mit der Taschenlampe eine Gurke holen und ganz allein
probieren wird. Alle sind sehr zufrieden.
Und jetzt erst haben wir Zeit für das traditionelle Willkommensgetränk,
einer Tasse Kakao und danach kommt das unumgängliche Essen. Die
traditionelle Hühnersuppe mit sehr wenig einheimischen Gewürz und
diesmal – eine grosse Ausnahme – mit Yucca zubereitet. Nach dem Essen
lassen wir weiteren Samen da, teilweise zum Nachsäen, aber auch neue
Arten und geben weitere Ratschläge. Auch informieren wir Don Onofre
über unser Gespräch mit seinem Nachbarn.
Und dann kommt eine weitere Überraschung. Don Onofre hat sehr wohl
bemerkt, dass seine rote Erde im Gemüsegarten nicht sehr fruchtbar ist
und er wenig Kompost gemacht hat. Also hat er nach Lösungen gesucht. Er
führt uns etwa 50m steil und rutschig den Berghang runter mitten durch
seine Kaffeebäume und da sehen wir den neuen Gemüsegarten: vier sicher
10m lange Gar-tenbeete mit schwarzer, fruchtbarer Erde und eben. Diese
fruchtbare Erde hat sich in vielen Jahren unter den Kaffeebäu-men
gebildet - runtergefallene Blätter, abgeschnittene Äste und entkernte
Kaffeekirschen haben dieses kleine Wunder bewirkt. Mein kribbeliges
Gefühl im Bauch hat sich langsam in mühsam zurückgehaltene
Freudentränen verwandelt.
Hier die Vorgeschichte, als ein Beispiel von vielen, wie die obige
Erzählung: Nach einer 1-stündigen Fahrt haben wir das Auto nahe von
einigen Gräbern parkiert um die Mutter und den Vater des Schülers Mario
Xó Pop zu besuchen. Am 21. April besuchte die Mutter Luisa Pop in der
Schule einen ersten Kurs über Gemüseanbau – Bodenbes chaffung, Bodenbearbeitung,
Bodentierchen, biologischen Dünger, Kompost Herstellung... Am 5. Mai
waren wir zum erstenmal zu Besuch bei Doña Luisa Pop. Damals
bestätigten wir der Familie den ausgesuchten Platz für ihren
Familiengarten und gaben noch einige Ratschläge – Verbesserung der
Umzäunung, Bearbeitung des Bodens, Anlegen eines Kompostes und Ausheben
eines Grabens oberhalb der Pflanzung, der Regenwasser um den Garten
herumleiten soll. Der Platz war gut ausgesucht, etwas Schatten von zwei
Bäumen und direkt hinter dem Haus, allerdings etwas steil gelegen und
wenig fruchtbare Erde. Beim zweiten Besuch am 25. Juni kontrollierten
wir erst mal die gemachten Arbeiten, dann bereiteten wir einen Fungizid
– Dünger zu. Etwa 1 Kilo Blätter eines bestimmten Baumes (Madre de
Cacao) werden fein gemahlen, mit 250gr Kalk und ca. 3 Liter Wasser
vermischt und in Plastikbehälter abgefüllt. Unverdünnt wirkt dieses
Mittel sehr schnell gegen Pilzkrankheiten und verdünnt ist es ein sehr
guter Dünger. Danach ging es in den Garten, wo wir anhand eines Blattes
mit Zeichnungen genau erklärten und zeigten, wie die verschiedenen
Samen gesät werden müssen. (Die Menschen hier können nicht lesen und
sprechen auch kein spanisch – oder kaum spanisch.) Abstand der Samen
und der Reihen, Tiefe der Sa-men.... Einige wenige Arten säten wir,
danach jagte uns der Regen ins Haus.
Die Wettergöttin spielte für unseren Anfang nicht so ganz mit. Ab 25.
Juni fingen wir mit den Frauen an zu säen – und genau dann fingen 2 mal
9 Tage Regen ohne Sonnenschein an, mit einer kurzen Unterbrechung. Kaum
etwas keimte in dieser Zeit. Obwohl wir den Frauen rieten mit dem Säen
zu warten, bis die Sonne wieder kommt, hatten sie wohl keine grosse
Geduld. Die meisten säten im grossen Regen. Danach kam eine 3-wöchige
Trockenzeit ohne jeden Regentropfen (und das in der Regenzeit!). In
dieser Zeit keimte noch weniger. Die Sonne ist sehr heiss. In 1-2
Stunden Sonnenschein trocknet die obere Bodenschicht bis zu 4 cm tief
vollständig aus, wenn nicht beschattet wird. Die Frauen müssen lernen,
direkt nach der Saat zu wässern und die Saat mit trockenen Bananen-
oder anderen Blättern vor der Sonne und dem Aus-trocknen des Bodens zu
schützen, bis die Pflänzchen sichtbar werden. Aber auch danach müssen
die Pflanzen noch vor zuviel Sonne geschützt werden, bis sie sich
selber etwas Schatten machen.
Und wir haben noch Glück mit dem Regen und der Trockenheit. In vielen
Gegenden Guatemalas ist der Regen ganz ausgeblieben und der Mais und
auch die Bohnen sind vertrocknet. Keine Ernte - das heisst Hungern und
Kinder und alte Menschen, die an Unterernährung sterben. Sogar in der
eher konservativen Zeitung Prensa Libre steht am Schluss des Artikels
über die Dürre: "Das Landwirtschaftsministerium bemerkt, dass die Dürre
vor allem in den Gegenden schlimm war, in denen am meisten abgeholzt
wurde." Und das Abholzen geht munter weiter - Export von Edelhölzern
scheint immer noch ein gutes Geschäft zu sein und des weiteren werden
Wälder abgebrannt um Kuhfarmen anzulegen, die Fleisch für den Export
produzieren. Und das vor allem in Naturschutzgebieten. Die Regierung
hat oder will kein Geld haben, um diesen illegalen Abholzungen Einhalt
zu gebieten.
Bei unserem dritten Besuch bei der Familie Luisa Ical– Onofre Xó am 26.
Juli war dementsprechend wenig zu sehen. Ausser den Gurken und den
Bohnen war kaum etwas gekeimt und dementsprechend waren die Menschen
enttäuscht. Beim zweiten Anlauf klappte es dann schon viel besser, wie
oben zu Lesen ist..
Unterdessen betreuen wir 94 Familiengärten in 16 verschiedenen
Weilern/Comunidades, 22 mit Müttern von Schülern und 72 von
Frauen-Gruppen in 5 Comunidades. Die Arbeit mit den Gruppen ist um
vieles schwieriger. Oft sind die Frauen nicht an den „Weiterbildungen“
in ihrem Dorf dabei oder sind nicht zuhause, wenn wir sie angekündigt
besuchen wollen. Trotzdem sind auch hier schon einige Fortschritte zu
verzeichnen.
In 2 Gärten haben wir – entgegen aller Erwartungen - schon wunderschöne
Weisskohlköpfchen und die Randen entwi-ckeln sich bis jetzt sehr gut.
Das sind zwei Gemüsearten, die sich alle wünschen. Im grössten
Gemüsegarten - rund 400 m2, 1000 MüM – wachsen Randen, Weisskohl,
Rüebli, Bohnen und Radiesli in grösseren Mengen und vieles andere in
kleineren Mengen. Doña Josefina arbeitet sehr hart dafür. Sie wohnen
sehr weit weg – 1 Stunde zu Fuss bis zur Strasse und von da 3-4 Stunden
bis zu der Strasse, an der regelmässiger Lastwagen als Transportmittel
fahren. Ihr Mann arbeitet sehr gut mit, ist allerdings Alkoholiker und
verschwindet etwa einmal pro Monat für 1-2 Wochen.
Aus vielen verschiedenen Gärten möchte ich gerne noch berichten, zum
Beispiel von Doña Manuela in Pinares, sie war wohl die erste, die
Gurken und Tomaten verkauft hat und ihre Kohlköpfe sind am weitesten
fortgeschritten. Sie und ihre Töchter haben tagelang schwarze,
fruchtbare Erde mit Plastikschüsseln von weit weg angeschleppt, um
neben dem Haus einen Gemüsegarten anlegen zu können. Ihr Mann hat kaum
geholfen, da er nicht an einen Erfolg glaubte. Jetzt allerdings ist er
voll dabei und Doña Manuela strahlt. Allerdings arbeitet auch sie hart
für ihren Garten – Kompost, Fungizid/Dünger, giessen, jäten, anhäufeln,
wieder neue Erde suchen, Erde mit Kompost mischen, säen.... und das
neben ihrer Hausarbeit mit ihren 8 Kindern, die noch zuhause sind. Kein
Strom, keine Waschmaschine, Erdboden, Schilfrohrwände und viele Tiere
ums Haus machen sehr viel Arbeit.
Ich selber habe immer noch Angst, dass etwas Unvorgesehenes passiert
und der so sehr gewünschte Kohl, die Randen und alles andere nicht
weiter wächst, nicht funktioniert und die Menschen sehr enttäuscht sein
werden!
SPENDEN: Leider kann ich Eure Spenden immer noch nicht verdanken, da
der Zugang zum Postportal nicht klappt und ich so die gemachten Spenden
nicht sehen kann.
BETTELBRIEF: Wir sind schon dabei, mit den Frauen die neuen Gemüse zu
kochen. Dabei fehlt es allerdings an einigem: Schnitzer und gute
Messer, unverbeulte Pfannen und für die Gärten brächten wir entweder
Schläuche zum Bewässern oder Giesskannen. Die Menschen giessen heute
mit der Hand aus einem grösseren Plastikbehälter oder mit
Plastikflaschen mit Löchern im Boden. Beides ist nicht sehr effizient,
weil zuwenig Wasser gegeben wird und so die Wurzeln kein Wasser
bekommen. Für die Gartenarbeit habe ich hier eine Hand-Gartenhacke
nachmachen lassen, die etwa 3 Franken kostet. Für viele Familien nicht
erschwinglich. Ich möchte allen Frauen, die gut arbeiten, diese wenigen
Dinge beschaffen können. Und ich möchte mit den Frauen die gut arbeiten
nächstes Jahr einen Ausflug nach Tikal (eine der wichtigsten
Maya-Ausgrabungen aus der alten Zeit) machen können. Dazu kommen immer
wieder Kinder, die sterben und denen ich keine Medikamente kaufen kann.
Dafür möchte ich gerne einen Fond anlegen können. Und es gibt so vieles
mehr.
Im Moment sitze ich im Casa San Benito in Guatemala Stadt, da ich in
Cahabón einfach nicht zum schreiben und zum aktualisieren der Homepage
komme. Ich hoffe, ich schaffe das alles in dieser Woche. In Cahabón ist
Dorffest, da arbeitet niemand und es ist auch kaum jemand zuhause
anzutreffen. Deshalb habe ich diese Gelegenheit beim Schopf gepackt.
Ich grüsse Euch alle ganz herzlich aus dem ewigen Frühling/Sommer. Helen
Spendenkonten – Obersimment.
Volksbank,CH- 3770 Zweisimmen Kto: 16 2.010.739.00 6327 /mein PC-Konto:
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6. Rundbrief von anfangs
August 2005
Cahabón, August 2005
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Frauen und Männer.
Fango ist gesund und erst noch teuer! so sagte ich mir, als ich bis zu
den Knien im Schlamm stand und mit den Händen unter den 2 im Schlamm
stecken gebliebenen Rädern ebendiesen versuchte zu entfernen. Es fühlte
sich sehr fein, seidig und angenehm an. Nach einer guten Stunde, vielem
entfernten Schlamm, vielen unterlegten Steinen, Baumstämmchen zum
kanalisieren der Räder, feinem Geäst unter den Rädern und Stosshilfe
von vorne durch vier Promotorinnen und einem Pro-motor gelang uns die
Befreiung beim dritten Versuch. Allerdings unter einigen Opfern.
Dolores verlor durch die Wucht der Befreiung das Gleichgewicht und
setzte sich mit einigem Schrecken mitten in den „Sumpf“. Und Isabel
blieb mit den Füs-sen so tief im Schlamm stecken, dass Franzisko sie an
der Hand herausziehen musste. Zum Glück war ein Flüsschen direkt neben
der „Unglücksstelle“ und so konnten wir Dolores baden und ihren Corte
(traditioneller Jupe von 5 Metern Stoff), ihre Bluse und ihr Haar
waschen. Natürlich säuberten wir uns alle so gut wie möglich und für
Dolores liehen wir einen Corte im nächsten Dorf aus. Aber stolz waren
wir eigentlich schon, dass wir ohne Hilfe von vielen Männern unsere
„Ret-tung“ geschafft hatten. Zum Glück war es das erste Mal, dass ich
so stecken blieb, trotz Vierrad und Geländegang.
Den 115
Gemüsegärten geht es nach einer längeren, ungewöhnlich langen
Trockenzeit sehr gut. Laut einer Zusammenstel-lung aus unseren
Kontrollblättern ernteten die Frauen im April/Mai durchschnittlich zehn
verschiedene Gemüsesorten trotz der Trockenheit. Jetzt sind alle Frauen
wieder am Säen. Im Moment haben wir um die 40 verschiedenen
Gemüsesamen, die wir teils verteilen, teils verkaufen. Wir verteilen
vor allem Samen von einheimischen Gemüse und Früchten, die langsam am
Aussterben sind oder deren Verwendung zum Essen nicht bekannt ist. Hier
eine Übersicht über unsere Samen:
EINHEIMISCHE GEMÜSEARTEN UND FRÜCHTE (diese Samen verteilen wir meist
gratis)
*Amarant, *Cebollin (Schnittlauch ähnlich), *verschiedene Chiles,
*einheimisches Basilikum, *Gewürz-Pfefferminz, *Gurke einheimische,
*Inwger, *Koriander, *Gelbwurz (neu), *Macuy (Blattgemüse),
*einheimische Mostaza (Blattgemü-se), *Portulak, *Samat (Gewürz),
*Tomaten einheimische, *einheimische Maracuya, *Tabak, *Guanaba,
*einheimische Baumwolle, *Luwa (junge Luwa sind essbar)
EINGEFÜHRTE GEMÜSEARTEN, deren Samen wir verkaufen und die hier
gedeihen.
*Auberginen, Kohlrabi, *Blattkohlrabi, Blumenkohl (säen im Oktober und ernten
im Januar), Bodenkohlrabi, *Buschbohnen, Chabis, *Gurken, *Knoblauch,
Lauch (neu), Mangold, *Mostaza Honduras (Blattgemüse), *Mungobohnen,
*Pak Choi, *Radiesli, Randen,*Rüebli, Schnittsellerie, *Sesam,
*Wassermelonen, Zwiebeln (in höher gelegenen Aldeas bis jetzt).
*Diese Arten produzieren hier Samen.
Wir ihr sehen könnt, haben wir sogar Rüeblisamen hier und wenn die
Leute einmal einen Chabis auswachsen lassen, wird der bestimmt auch
Samen produzieren. Aber hier sind wir noch stark am Kämpfen. Eigentlich
ist es auch zuviel verlangt, dass die Frauen zum
ersten Mal ihren geliebten Chabis ernten können und dann auch noch
stehen lassen sollen, damit er Samen macht. Ich vergesse immer wieder,
dass wir ja erst am Anfang stehen, die ersten Erfolge kaum ein Jahr alt
sind. Die ersten grossen Kohlköpfe, Rüebli, Randen, Bodenkohlrabi usw.
ernten wir erst seit letztem Oktober. Aber jetzt sind wir sicher, dass
das Gemüse gut wächst und auch die Promotorinnen entwickeln mehr
Sicherheit in ihrem Auftreten, weil sie viele Gärten mit wunderschönem
Gemüse kennen.
Dazu kommt, dass die Menschen die Gemüse auch sehr gerne Essen und die
Frauen anfangen, mit den neuen Sorten zu experimentieren. Sie essen
nicht nur die Früchte, sondern auch die Blätter von Radiesli, Randen,
Bodenkohlrabi oder Rü-ebli und nachdem sie den Blumenkohl sorgfältig
geerntet haben, ernten sie einige Tage später auch die stehen gelassen
Blätter. Ich lerne hier ganz neue Rezepte kennen. Z.B. Radieslisalat:
die Radiesli waschen und feine Würfeli schneiden, die Blätter der
Radiesli waschen und fein schneiden, dazu Zwiebeln, frischen
Blattkoriander, etwas Zitrone und Salz. Schmeckt hervorragend. Oder ein
heisses Getränk aus Amarant-Samen: Die Samen mit etwas Wasser fein
mixen, Wasser in einer Pfanne erhitzen, den gemixten Samen unter rühren
und weiterrühren. Wenn das Getränk etwas dickflüssiger wird, etwas
Zucker und Zimt dazu geben und heiss trinken. Das nennt sich hier Atol
– ist sehr nahrhaft. Natürlich wird der Samen hier mit der Handmühle
gemahlen.
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass bis Ende Jahr die Frauen in allen
Gärten die verschiedenen einheimischen Gemüsear-ten einmal gesät und
probiert haben. Danach sollen sie selber auslesen, was sie weiter
anpflanzen möchten. Nicht alle wer-den alles gerne essen. Dazu kommt,
dass wir bis Ende Jahr mehr verschiedene Gemüse in ein Gartenbeet säen
möchten und die Frauen lehren, dass sie in Stufen (z.B. jede Woche 5
Chabis) säen und nach dem Ernten sofort wieder säen. So werden sie das
ganze Jahr über immer etwas zum ernten haben. Allerdings haben wir auch
vor, dass die Gartenbeete jedes Jahr in der Trockenzeit 2 Monate ruhen
sollten. Mit Mulch bedeckt soll sich die Erde vom Wässern und
Bearbeiten erholen können.
In Chiacach haben wir ein Experiment mit 19 SchülerInnen aus dem 7.-9.
Schuljahr angefangen. Sie konnten das Schulgeld nicht auftreiben. Und
so haben wir einen Vertrag geschlossen. Ich habe ihnen das Schulgeld
bezahlt, dafür werden sie ge-meinsam einen grossen Garten und eine
diversifizierte Parzelle mit Maniok, Taro, Bananen, Ananas, Amarant,
Sesam... nach den Kriterien der Schule anlegen, mit Erosions-,
Bodenschutz und
Kompost. Sie werden nebst der Praxis im Garten und Kochschule auch
einiges in der Theorie über Pflanzen, Boden und Dünger lernen. In
Chiacach gibt es übrigens schon 7 Familiengärten.
Im August werden wir mit ca. 15 Frauen wieder einen Besuch in Purulhá
abstatten. Schon einmal im letzten Jahr besuchten wir diese
Q’eqchi’-Frauen, die auch Gemüse anbauen. Jetzt haben sie sich in einer
Gruppe formiert, um sich gemeinsam weiterzubilden und das Gemüse zu
verkaufen. Gruppenbildung ist meines Erachtens sehr wichtig.
Gemeinsames Arbeiten, zum Beispiel beim Organisieren eines kleinen
Marktes mit ihren Produkten in der Comunidad, Austausch von Erfahrungen
im Garten und gemeinsames Ausprobieren von neuen Rezepten sind Ziele,
die wir mit diesen Frauen in ihren Dörfern er-reichen möchten.
Ein weiteres Anliegen, das wir gerne verwirklichen möchten ist das
Feiern der Mayazeremonie Mayejak für die Gemüse-gärten. Dabei geht es
darum, den Tzuultaq’a – den Geist/Besitzer des Berges/Tales um
Erlaubnis zu bitten, die Erde bear-beiten zu dürfen und auch darum
seinen Schutz und gutes Gelingen zu erbitten. Mayejak wird vor Diese
Zeremonien wer-den traditionell vor jedem Säen des Mais durchgeführt.
Ein grosses Problem nicht nur für die Gärten sind im Moment die
Blattschneiderameisen. Die Menschen dringen immer weiter in die Wälder
vor um Wohnplatz zu finden und so kommen diese Tierchen auch immer
näher zu den Menschen. Die Blattschneiderameisen gehören dem Tzuultaq’a
und dürfen nicht getötet werden. Dazu spielen sie eine wichtige Rolle
im Mythos der Erschaffung des Mais. An vielen Orten haben die Menschen
aus Verzweiflung mit Gift versucht, die Tierchen zu vertreiben. Aber
dies gelingt kaum mehr. Eher werden die Menschen davon krank.
Alejandro, einer der Promotoren kennt eine Zeremonie, mit der die
Blattschneiderameisen veranlasst wurden, aus ihrer „Tronera“
wegzuziehen. Wir werden sobald wie möglich mit der ganzen Equipe –
unterdessen 7 Promotoren, 4 Promotorinnen, 1 Koordinatorin, Arnulfo und
ich – in Chiakte diese Zeremonie mit Ältesten durchführen. Es wäre den
Menschen und den Tierchen wirklich zu wünschen, dass die Tierchen sich
danach jeweils ein neues Heim suchen, etwas tiefer in den Wäldern.
Blattschneiderameisen gehören zum Leben in dieser Region und es wird
auch extra etwas mehr Mais gesät, damit sie sich auch ernähren können.
Aber statt die Bäume kahl zu fressen oder etwas vom Mais auf den
Feldern, kommen sie nun in die Häuser und holen sich den schon
geernteten Mais, der sowieso schon knapp ist. Und das Gemüse, vor allem
Chabis lieben sie heiss.
Im Moment haben wir viele Weiterbildungen. Teils nur mit den
Promotorinnen, aber auch zusammen mit
den Promotoren. Einerseits haben wir eine fast neue Equipe – 4 der
Promotoren arbeiten seit Februar, 2 Promotorinnen arbeiten seit 1 Monat
und die Koordinatorin wird im August anfangen zu arbeiten. Themen wie
Selbstbewusstsein, wie arbeiten wir mit den Menschen, was ist unser
Haupt-Ziel, Schlüsselworte unserer Arbeit wie nachhaltig –
ökologisch..., Pünktlichkeit, Verant-wortung in der Arbeit,
Zusammenarbeit, Arbeit in der Gruppe, Familiengärten, diversifizierte
Parzellen und Parzellen mit Mais und Düngerbohnen, Ernährung,
Heilpflanzen und ihr Gebrauch, Herstellung von Tinkturen und Salben mit
Heilpflan-zen, Pflanzen, Pflanzenfamilien, verschiedene Böden und ihre
PH-Werte....... und vieles steht noch auf unserer Liste der
Weiterbildung.
Unterdessen unterstützen unsere Arbeit auch die Pfarreien Spiez und
Arth mit Beiträgen, mit denen ich den Lohn von 2 Promotorinnen bezahlen
kann.
EINE GROSSE BITTE: In letzter Zeit finden wir immer mehr Frauen in den
Dörfern mit schwerwiegenden Frauenkrank-heiten. Monatelange Blutungen
bringen sie bis an den Rand der Erschöpfung. Die traditionellen Heiler
scheinen hier keine Methode zu haben, um den Frauen zu helfen. Und auch
das Gesundheitszentrum in Cahabón kann in keiner Weise helfen. Sie
müssen nach Cobán in ein Spital zur einer Röntgenuntersuchung und
danach entweder Tabletten schlucken oder operie-ren. Aber niemand hat
das Geld für so etwas. Vielleicht könnt ihr da etwas helfen.
Allen die uns mit Gebeten, Gedanken und Spenden unterstützen von hier
aus herzlichen Dank. Es lohnt sich, hier Zeit und Geld zu investieren.
Die Menschen werden lernen und langsam aber sicher aus ihrem
Teufelskreis ausbrechen können.
Helen Hagemann
Fotos: 2 Kinder von Doña Petrona in Semox Chahal essen
frische Gurken, Doña Romelia mit Mangold in Chiacach, Chabis im Garten
von Doña Raquelita in Chiacach, Doña Petrona mit Bodenkohlrabi in Semox
Chahal, Chabis und Blumenkohl im Garten von Doña Manuela in Pinares,
Wassermelone im Garten von Doña Alcira in Secalá, Doña Romelia aus
Santo Domingo mit Rüebli, Promotorinnen und Promotoren in unserem Büro
bei einer Weiterbildung
Spendenkonten – Obersimment.
Volksbank,CH- 3770 Zweisimmen Kto: 16 2.010.739.00 6327 /mein PC-Konto:
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Rundbrief
im Advent 2005
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Frauen
und Männer.
Mein erster Advent in
Cahabón
Mein gekaufter Weihnachtsstern auf der
Veranda erinnert mich
ab und zu an Advent in der Schweiz. Im Januar werde ich ihn wohl in
meinen
Garten setzen.
Advent fängt hier am 30. November an. Mit
einer Novene bis
zum 8. Dezember – Maria Empfängnis. Neun scheint eine wichtige Zahl zu
sein. 9
Dorfteile mit je ihrer eigenen Kirche/Kapelle, Cofradía/Bruderschaft
und ihrem
Heiligen.
In dieser Novene organisiert jeder Dorfteil
eine
„Recordadera“ – hat etwas mit „sich erinnern“ zu tun. In der Nacht
fangen die
Menschen sich an zu versammeln Sie tragen Hörner, Stiefel und einen
weissen
Umhang. Die ganze Nacht laufen sie in einem lockeren Umzug durch das
ganze Dorf,
tragen eine „Virgencita“ (eine kleine Marienstatue) mit und machen viel
Lärm
mit Trommeln, Chirimia (einer Art Flöte) und Kuhhörnern. In der Küche
der
Kapelle bereiten unterdessen die Frauen hunderte von Anis-Tamales vor.
Gekochter
und gemahlener Mais wird mit Anis vermischt, zu länglichen „Kugeln“
geformt, in
Bananenblätter gewickelt und im Wasser gekocht. Um vier Uhr morgens
treffen
sich alle wieder bei der Kapelle. Jede und jeder bekommt einen Tamal
und danach
formt sich eine Prozession zur Hauptkirche, wieder mit der Marienstatue
und
allen Instrumenten. Dort endet die Nacht mit einem Gottesdienst. Bis zu
achthundert Menschen sind so jede Nacht unterwegs.
Derselbe Dorfteil
organisiert dann für den Abend den Brauch des „Teufels verbrennen“. Je
nachdem
wie viel Geld sie von den Bewohnern zusammen bringen, werden 1-3 Teufel
verbrannt. Die Teufel sind in rote Gewänder und Masken gekleidet. Der
grösste
Teufel trägt ein Gestell um sich, auf dem lauter Kracher und Heuler,
die untereinander
verbunden sind, angebracht sind. Etwa um
5 Uhr abends fangen sie auf einem Platz an zu tanzen. Eine Marimba und
eine Trommel
begleitet sie. Langsam gehen sie Richtung Kirche. Auf jedem freien
Platz führen
sie ihren Tanz auf. Zwischen 6 und 7 Uhr kommen sie dann auf dem Platz
vor der
Kirche an. Viele Menschen haben sich schon versammelt. Sie tanzen ihren
letzten
Tanz und dann wird die Lunte des ersten Krachers angezündet. Unter
riesigem
Geheul und Pfeifen der Menschen tanzt der Teufel weiter, bis der letzte
Kracher
verpufft ist.
Am 7. Dezember kommt der „Rey Fiero“ der
wilde König als
neue Gestalt dazu. Den ganzen Tag tanzt er zusammen mit vielen andern
Masken
verschiedene Tänze. In der Nacht dann DAS Ereignis. Die Menschen
versammeln
sich um den Rey Fiero und dieser trägt nun in eher lustiger Form – am
ehesten
mit einem Schnitzelbank vergleichbar – all die „Fehler“ vor, die
während des
Jahres passiert sind. Institutionen, Gemeinde und Personen kommen
gleichermassen zum Zug. Einer der Höhepunkte im gesellschaftlichen
Leben in
dieser Zeit. Der Advent fordert so die Menschen mit der
Recordadera und
dem Rey Fiero zum nachdenken darüber auf, was über das ganze Jahr
geschehen
ist.
Am 8. Dezember dann die grosse Prozession
mit der Statue der
„Maria Empfängnis“ durch das Dorf mit allen Würdenträgern der Cofradías
und dem
anschliessenden Festgottesdienst.
Am 16. Dezember fängt die nächste Novene an.
Diesmal in
kleinerem Kreis. 9 Familien tun sich zusammen für die Posadas/Herberge.
Aus
diesen 9 Familien wird ein kleiner Chor gebildet und die Reihenfolge
der
Besuche wird ausgemacht. Jeden Abend besuchen der Chor und die Familien
die für
diesen Tag ausgesuchte Familie. Die ausgesuchte Familie bereitet eine
Krippe
und Essen vor. Der Chor singt Weihnachtslieder und alle Essen etwas.
Vorbereitung auf Weihnachten.
Am Weihnachtsabend wird dann noch
anschliessend die
Mitternachtsmesse besucht. Den Weihnachtstag selbst verbringen die
meisten in
den Familien.
Etwas total Neues hier in Cahabón sind die
Lichterketten für
die Häuser und Bäume, die auch bei uns verkauft werden. Hier oft noch
mit
Weihnachtsmusik verbunden. Künstliche Weihnachtsbäume finden grossem
Anklang
und gefallen den Menschen hier.
Gestern habe ich zum ersten Mal das Lied
„Stille Nacht,
Heilige Nacht“ im Radio auf Q’eqchi’ gehört. Weihnachtsmusik gibt es
aber schon
seit Ende November.
Am 15. Dezember fahre ich ans Meer um mich
ein bisschen
auszuruhen. Den Familiengärten geht es gut trotz sehr vielem Regen seit
Juli
dieses Jahres.
Ich wünsche Euch allen einen besinnlichen
Advent und
wunderschöne Weihnachtstage. Einen ruhigen Rutsch ins neue Jahr.
Liebe Grüsse. Helen
7.
Rundbrief vom März 2006
Cahabón, 28. März 2006
Liebe Freundinnen und Freunde, Männer und Frauen,
eben noch lag ich in der Hängematte auf meiner Veranda. Es ist Nacht.
Unwahrscheinlich viele Tierchen spielen das Nachtkonzert. Ein Käfer
fliegt um meinen Kopf und fächert mir wie ein Ventilator kühle Luft zu.
Eine Fledermaus dreht ihre Runden. Es ist 20 Grad warm und ich habe
gerade 3 ruhigere Tage hinter mir. Mein Auto ist am Sonntagmorgen in
Lanquin geblieben – ca. 30 km von hier weg. Die Brücke wird repariert
und die Zufahrt nach Cahabón auf einem Umweg ist durch einen Erdrutsch
versperrt. Also habe ich endlich wieder einmal etwas Zeit um zu
Schreiben und im Garten zu Arbeiten.
Ich bin wieder da. Nach fast einem Monat krank, Internet, das nicht
funktionierte seit Dezember und viel Aufholarbeit nach der Krankheit
und Planen für 2006.
Den 7. Rundbrief, den ich im Dezember schrieb, konnte ich wegen dem
Internetabsturz hier leider nicht verschicken. Und jetzt im März und
schon fast Ostern über Weihnachtsbräuche in Cahabón zu schreiben ist
nicht gerade sehr aktuell.
Hier hat vor kurzem die Trockenzeit = Sommer angefangen, mit einem
guten Monat Verspätung und schon ist sie wieder vorbei. Das Wetter
spielt verrückt. Es regnet viel, die Flüsse sind übervoll und viele
Erdrutsche versperren die Strassen. Aber das Klima ist angenehm, nicht
so feucht wie im „Winter = Regenzeit“ und auch nicht so heiss. Leben,
ohne dass einem das Wasser über den ganzen Körper rinnt, ist auch
angenehm. Tagsüber wird es bis zu 30 Grad warm und nachts kann es schon
mal bis auf 15 Grad abkühlen – das bedeutet dann Pyjama und 2 Decken
zum Zudecken – schön, sich einmal wieder in ein Bett kuscheln zu können
nach Monaten heissem Wetter und ein Bett am liebsten ohne Bettzeug.
Ich komme vom 21. April bis zum 6. Juni in die Schweiz. Vorträge und
Gottesdienste am 6. Mai in Spiez, Pfarrei Bruder Klaus, am 12. Mai in
Biel Sankt Marien, am 27./28. Mai in Arth. Ich hoffe, dass ich viele
von Euch treffen kann oder wenigstens telefonisch Kontakt habe.
Unterdessen haben wir um die 160 Familiengärten und viele neue Prozesse
sind in Gang gekommen. Den Prozess, den wir in Chiacach
mit der 7.-9. Klasse angefangen haben, nimmt grössere Dimensionen an:
ein grosser Familiengarten, eine diversifizierte Parzelle, ein
selbstgebauter Fischteich und für mich das Wichtigste – sie haben
gelernt in der Gruppe zu arbeiten und sehen viele Vorteile darin. Als
Nächstes werden sie mit Hühnern, etwas später mit Kaninchen und mit
Ziegen arbeiten lernen. So können sie ihre Schule mitfinanzieren. Sie
sind sehr lernbegierig. „ 2 Jungs aus Chiacach sind im Süden von
Guatemala, um zu lernen,
wie man aus Bambus Möbel herstellen kann. In Chaslau sind 11 Frauen am
Arbeiten. Mit Hilfe von 2 Frauen aus Purulhá lernen sie Blusen mit
wunderschönen Mustern Weben. In Chatela stellen die Frauen
hausgemachtes Hühnerfutter her und sind am Lernen, wie man Salben mit
Heilkräutern fabriziert. In Semox Chahal wird der erste Markt
stattfinden. In El Carmen haben die Frauen wunderschöne Gärten mit viel
Kompost. Sie arbeiten gut zusammen und werden ab Juli auch Kaninchen
bekommen. Dafür fahren sie nach Purulhá, um sich bei Q’eqchi’ Bauern
und Bäuerinnen ausbilden zu lassen. In Pinares ist eine Familie am
Weben von Tischsets in der Art, wie sie ihre Taschen Weben. In Chiakte
haben 10 Familien einen grossen Garten angelegt und möchten Gemüse
anbauen zum Verkauf. Leider funktioniert die Gruppe noch nicht so gut.
In anderen Teilen aber existieren jetzt Gruppen, die sehr gut zusammen
arbeiten. Dies ist etwas Neues für Cahabón. Die Menschen sind
EinzelgängerInnen und nicht gewohnt in Gruppen zu arbeiten. So stimmt
es auch nicht. Gruppen- oder Gemeinschafsarbeit ist üblich bei
Zeremonien, Bräuchen und beim Säen. Die Kommunikation zwischen den
Menschen ist spärlich. Es ist wie eine übertriebene Toleranz. Man lässt
den andern so leben, wie er lebt und leben möchte. Das bedeutet dann
aber eben auch, dass man nichts weitergibt, was man gelernt hat. Viel
Neid und Missgunst ist auch im Spiel. Ich habe einen Kalender für 2006
entworfen, der an alle Familien der Schüler und Familien mit Gärten
verteilt wurde. Es ist ein wunderschöner Kalender mit Fotos aus den
Gärten und Parzellen – aber auch ein Lernkalender mit Text.

„Wir alle sind Bäuerinnen und
Bauern. Davon Leben wir.
Maria möchte ihre Tomate verkaufen und fragt Peter: warum kaufst Du
meine Tomaten nicht? Peter antwortet: Ach Maria, nur was von weit weg
kommt, ist gut!
Wann lernen wir endlich, das unsere zu schätzen.
Kauf von Deinem Nachbarn. So sparst Du Zeit und Geld, weil Du nicht mit
dem Bus nach Cahabón fahren musst. Dein Nachbar verdient mit seinen
Produkten und das Geld bleibt im Dorf.
Nur so kommen wir miteinander vorwärts.“
Nach dem im letzten Rundbrief angesprochen Ausflug nach Purulhá mit 30
Frauen und Männern sind 6 Gruppen entstanden. Das war mein
Hauptanliegen. Gruppen entstehen zu lassen, weil sich die Frauen aus
Cahabón von den Frauen aus Purulhá überzeugen liessen. Die meisten
arbeiten gut zusammen auch wenn wir manchmal beratend eingreifen.
Im Juli werden wir eine Weiterbildung mit einem einheimischen Arzt
haben, der uns ausbildet und berät in Sachen Basismedizin. Welche
Heilpflanzen sollen wir am besten mit den Frauen in den Gärten anbauen,
welche Medizin mit Heilpflanzen herstellen. Wir kann man die
wichtigsten Krankheiten wie Durchfall, Fieber, Malaria, Husten,
Hautkrankheiten, Augenentzündungen und allgemeine Entzündungen mit
Naturheilmitteln heilen oder wenigstens lindern. Was ist wichtig, um
die Krankheiten zu verhindern. Das Wissen über Heilpflanzen bei den
Menschen ist sehr gross. Und trotzdem werden sie nicht angewendet.
Warum??? Keine Ahnung. Manchmal ist es kaum begreiflich, dass Kinder
sterben müssen, nur weil sie Durchfall haben. Menschen sterben an einem
einfachen Schnitt mit dem Messer, weil sie nicht desinfizieren und die
Wunden nicht verbinden. Nach einem total entzündeten Fuss in Semox
Chahal, den ich mit Bethadin desinfiziert und mit Bepanthen eine Nacht
behandelt habe, kam die Frau am nächsten Tag fast ohne zu hinken zur
Versammlung. Ich beschloss, hier einmal zu probieren, ob es
funktioniert, wenn die Menschen Desinfektionsmaterial, eine Salbe und
Pfästerli zur Verfügung haben. Beim letzten Besuch haben wir die Frauen
ausgebildet darin, was wichtig ist und auch praktisch geübt, wie man
desinfiziert und verbindet. Ich bin gespannt, ob es etwas genützt hat.
Sehr viele Kinder hatten stark entzündete Kratzwunden am ganzen Körper.
Anfangs Juli werden wir die Gemeinschaft wieder besuchen und dort auch
für den ersten Markt mithelfen. Das Problem ist nämlich, dass die
Mitbewoh-ner keinen guten Preis für das Gemüse bezahlen wollen. Also
werden sie eine Dorfversammlung einbe-rufen und wir werden gemeinsam
versuchen, die Menschen von der Wichtigkeit zu überzeugen, vonein-ander
zu kaufen und die üblichen Preise zu bezahlen.
Viel Arbeit aber langsam sehen wir Resultate, die Freude machen.
Ich wünsche Euch Allen wunderschöne Ostern und ich hoffe Euch bald in
der Schweiz zu sehen oder doch wenigstens zu hören.
Liebe Grüsse aus dem warmen und frühlingshaften Cahabón. Helen Hagemann
Danke für die eingegangenen Spenden. Leider habe ich auf das Postkonto
im Moment keinen Zugang und kann die Spenden nicht einzeln verdanken. 2
Frauen wurden mit Geld aus den Spenden geheilt, Manuela Caal aus
Pinares und Rosaria Cuz aus Chatela. Beide hatten monatelange Blutungen
und waren so geschwächt, dass sie kaum mehr gehen konnten. Jetzt
arbeiten sie wieder im Garten.
Allen die uns mit Gebeten, Gedanken und Spenden unterstützen von hier
aus herzlichen Dank. Es lohnt sich, hier Zeit und Geld zu investieren.
Die Menschen werden lernen und langsam aber sicher aus ihrem
Teufelskreis ausbrechen können.
Helen Hagemann
Spendenkonten – Obersimment.
Volksbank,CH- 3770 Zweisimmen Kto: 16 2.010.739.00 6327 - PC Nr der
Bank 30-38272-3 /mein PC-Konto: 49-8882-5
8. Rundbrief vom November
2006
Liebe
Freundinnen und Freunde,Spenderinnen
und Spender, Frauen und
Männer.

Wenn das
Hahnenwasser wärmer ist als die Luft, die Berge blau scheinen, die
Morgen- und
Abendstimmungen zum Fotografieren einladen, dann ist Weihnachten nicht
mehr
weit. Die Luft ist klar und man sieht 6 und mehr Bergketten bis weit in
die
Ferne.
Unsere
Arbeit vervielfältigt sich. Die Promotorinnen lernen immer mehr dazu
und sind
immer mehr in der Weiterbildung der Frauen tätig. Erste Hilfe,
Hygiene,
Ernährung, Kommunikation, Organisation, Arbeit in Gruppen. Auch das
Kochen ist
vielfältiger geworden. Wir haben angefangen mit den Frauen
Orangenmarmelade mit Ingwer zu machen und
haben die ersten
Versuche mit Currysauce hinter uns. Der Hauptbestandteil von Curry, die
Gelbwurz wächst hier wild, die Menschen kennen aber keine Nutzung
dafür.
Glücklicherweise essen die Leute den Curry sehr gerne. Jetzt geht es
darum, die
Schüler zu überzeugen, dass sie Gelbwurz in ihren Gärten und Parzellen
anbauen.
Immer
mehr wird klar, dass die Arbeit "nur" mit Familiengärten nicht
ausreicht. Damit Familiengärten funktionieren, müssen einige
Bedingungen gewährleistet
sein. Die Frau muss Zeit dafür haben und die Kinder und der Ehemann
müssen
helfen. Und dies ist in vielen Familien der Knackpunkt. Die Männer
haben
grossenteils wenig Interesse am Familiengarten. Sie sind zwar stolz,
wenn etwas
wächst, aber sie sehen die Gärten nicht als Teil ihrer Arbeit und
begreifen noch
nicht die Wichtigkeit für die Gesundheit der Familie. Zaun flicken,
Kompost aus
den Parzellen bringen oder zubereiten, die Erde ab und zu lockern usw.
wäre
eigentlich ihre Arbeit. Sie müssen auch lernen, den Frauen mehr Zeit
für den
Garten einzuräumen. Die Frauen können nicht mehr jeden Tag aufs Feld -
Kardamom, Kaffee, Chile, Mais ernten und dann auch noch Chile, Mais und
Kaffee
zuhause trocknen. Wenn sie am Mittag das Essen aufs Feld bringen,
bedeutet auch
meist 2-4 Stunden Weg pro Tag. Die Kinder werden grossenteils in der
täglichen
Arbeit eingebunden - Mädchen beim Kochen, Waschen, Fegen und Jungs auf
dem
Feld. Seit sie in die Schule gehen, ist das allerdings nicht mehr
überall der
Fall. Da der Garten nicht Teil der Tradition ist, gibt es auch keine
Tradition,
dass die Mädchen oder Jungs im Garten helfen. Hier müssen die Frauen
lernen,
die Kinder einzubeziehen. In der Auswertung über unsere Arbeit mit
allen
PromotorInnen haben wir ausserdem festgestellt, dass viele der Mütter
auch in
den diversifizierten Parzellen mitarbeiten,
aber eben umgekehrt, die Männer
in den Gärten nicht helfen.
So
haben
die Frauen immer mehr Arbeit und unser Schwerpunkt ab nächstem Jahr
wird es
sein, die Frauen mehr zu entlasten zugunsten einer bessern Ernährung,
Erziehung
und Geldverdienen.
Auch stellen
wir fest, dass Frauen in mehreren Kursen viel gelernt haben und dann
doch nichts davon anwenden.
Als Beispiel Chaslau - die Frauen haben Familiengärten, haben gelernt
Brot zu
backen und auch den entsprechenden Ofen und haben gelernt zu weben.
Schon am letzten
Abend des Webkurses, den wir mit einem kleinen Fest und
Wortgottesdienst
gefeiert haben, hat der Minister (höherer kirchlicher Laienposten), der
die
Feier geleitet hat, um weitere Projekte gebeten. Von den 10 Gärten, die
wir
momentan in Chaslau betreuen (ehemals 21), arbeiten 3 gut und die
anderen
mittelmässig bis schlecht, von den 12 Frauen, die Weben gelernt haben,
arbeiten
laut neuster Nachfrage 3 Frauen, in der Bäckerei, in der um die 15
Frauen
ausgebildet wurden, wird ab und zu Brot gebacken. Da in der Comunidad
Sepok
ganz in der Nähe eine grössere Oberschule und Lehrerausbildungsstätte
ist,
könnten diese Frauen jeden Tag Brot backen und dort verkaufen. Jeden
Tag kommen
Bäcker aus Cahabón mit ihren Autos und verkaufen Brot in Sepok und auch
in Chaslau.
Warum es nicht funktioniert? Das hat mehrere
Gründe.
Einer der Hauptgründe ist wohl die Kommunikationslosigkeit zwischen den
Eheleuten und dazu kommt auch, dass die Frauen nicht wissen, wie und wo
verkaufen. Sie sind im Gegensatz zu Frauen aus vielen Völkern keine
Händlerinnen.
Dazu kommt, dass ein fast unverständlicher Neid in den Comunidades
herrscht,
der dazu führt, dass die Leute nichts von ihren Nachbarn kaufen. Es
dauert
einige Zeit, bis die Leute aus dem eigenen Dorf einsehen, dass es sich
lohnt,
bei den eigenen Leuten zu kaufen.
In
Frauengruppen, mit denen wir schon längere Zeit arbeiten, fängt die
Zusammenarbeit langsam an zu funktionieren und etwas sehr Wichtiges,
sie fangen
an mit zu diskutieren und mit zu denken. Sie fangen an, die
Schwierigkeiten zu
analisieren und sind interessiert daran, etwas zu verändern.
Ende
Oktober waren alle Mütter und Väter der Schüler wieder in der Schule.
Weiterbildung
für die Frauen war angesagt. Die Promotorinnen entschieden sich
für 4 Themen: Erste Hilfe (einen Erste Hilfe Kurs besuchten sie selber
im
September), Hygiene, Gesundheit und interfamiliäre Kommunikation. Die
Vorbereitung der 1-stündigen Kurse übernahmen die Promotorinnen selber.
Jede
Mama besuchte so 4 verschiedene Kurse von morgen um 10 bis abends um
17.00.
Damit die Frauen einigermassen in Ruhe arbeiten konnten, organisierten
wir
einen Kinderhütedienst, der sehr gut funktionierte. Entgegen allen
Befürchtungen machten die Frauen in allen Kursen sehr gut mit,
diskutierten
über ihre Probleme, suchten nach Lösungen und präsentierten abends um
17.00 das
was sie für wichtig fanden im Plenum ihren Ehemännern und ihren Söhnen.
Es
scheint, dass wir den effektiven Problemen der Frauen näher kommen. Das
Interesse war gross und die Promotorinnen
wussten auch immer wieder mit Spielen die Müdigkeit zu verjagen. An
diesen
Themen werden wir ab nächstem Jahr intensiv weiterarbeiten.
In
Semox
Chahal haben wir anfangs Jahr Pflästerli, Bepanthen und
Desinfektionsmittel da
gelassen, nachdem wir mit den Frauen geübt hatten, wie sie entzündete
Wunden,
Schnittwunden und kleinere Verletzungen behandeln können. Sie haben
sehr
ängstlich reagiert und ich hatte keine grosse Hoffnung, dass sie die
Medizin
anwenden. Die grosse Überraschung deshalb bei unserem letzten Besuch.
Wir sahen
keine Kinder mehr mit Entzündungen und haben deshalb nachgefragt, ob
die
Medizin funktioniert. Bepanthen und 100 Pflästerli waren aufgebraucht
und es
kamen auch Frauen, die nicht zur Gruppe gehören, um Verletzungen
behandeln zu
lassen. Ich habe weiteres Material dagelassen. Ich glaube die Frauen
haben sehr
gut begriffen, worum es geht, damit keine grösseren Entzündungen mehr
entstehen. Und der grosse Vorteil von Bethadin und Bepanthen - es
brennt nicht
und die Kinder lassen sich behandeln! Auf dem Foto Alexandra aus Spiez,
die mir
hilft, Gipsy zu verarzten. Alexandra und Daniel waren 2 Wochen mit uns
unterwegs, um Cahabón und unsere Arbeit kennen zu lernen.
In
Chiacach -
der Oberstufenschule haben wir mit Hilfe Ihres Lehrers für 2 Schüler
und eine
Schülerin, die die 9. Klasse mit
guten Noten abgeschlossen haben eine
weiterführende Schule gefunden und ein Stipendium für 1 Schüler. Sie
werden in
Chichicastenango studieren. Die ersten Fische im neuen Fischteich
haben einen guten Gewinn abgeworfen und unterdessen haben sie auch
einen
grossen Hühnerhof und mit 3o Hühnern im September angefangen zu
arbeiten. Die
diversifizierte Parzelle wurde vergrössert und jedeR SchülerIn hat
jetzt auch
zuhause einen Gemüsegarten. 5 SchülerInnen habe das 9.Schuljahr
abgeschlossen
und 5 neue SchülerInnen werden im neuen Schuljahr anfangen. Wir haben
viel
gearbeitet, zum Beispiel über Ernährung. Die SchülerInnen haben danach
Plakate
angefertigt und ihre Eltern an einem Nachmittag in die Geheimnisse der
Ernährung eingeweiht. Viel zu diskutieren gab der Beitrag über
Alkoholmissbrauch. Mit den 4 neu gekauften Gitarren sind sie fleissig
am Üben.
In Cahabón ist
Manuel aus Chiacach, der anfangs Jahr in Cuyuta gelernt hat, Bambus
Möbel
herzustellen daran, ein Haus zu ba uen.
Chiacach ist viel
zu weit entfernt, um die
Möbel auch verkaufen zu können. Zudem ist der Transport teuer. Manuel
hat das
Baumaterial und die Arbeiter beigesteuert. Ich habe das Wellblech für
das Dach,
die Nägel und das Schloss und ein Stück Boden, der zementiert wird
bezahlt. Die
Miete kostet Q 100.00 (ca. CHF 15.00) pro Monat. Das ist tragbar. Auf
dem Foto (in
Chiacach) fehlt noch das Lackieren. Die Möbel sind sehr schön und
Manuel hat
doch schon einige verkauft davon. Jetzt hoffe ich, dass die Arbeit im
Dorf die
Möbel bekannt macht und wir bald auch nach Cobán fahren, um die Möbel
dort am
Samstag zu verkaufen.

8 Mädchen
und Frauen aus Chiacach und 12 Frauen
aus San Cristobal Sacta haben einen neuen Webkurs angefangen. Die
Frauen und
Mädchen aus Chiacach kommen nach Cahabón und wohnen die 3 Tage bei den
Schwestern und die Frauen aus San Cristobel Sacta werden in ihrer
Comunidad
ausgebildet.

Anfangs
Oktober waren wir auf einem einwöchigen Weiterbildungsausflug. Alle
PromotorInnen, mein Kollege
Arnulfo, 12 SchülerInnen aus der Oberstufe
aus
Chiacach und José Reyes, der Direktor der Schule in Chiacach. Frühstück
in
einem guten Bio-Restaurant in Cobán und danach Besuch der Finca der
Besitzer. Sehr
viel Hühner im Freilaufgehege, biologisches Gemüse, Werkstatt für Holz
und
Metall und ein sehr überzeugter Biobauer als Besitzer. Danach Besuch
der
Fischfarm in Salamá, woher auch alle unsere Fische stammen. Besuch des
Zuhauses
von meinem Kollegen Arnulfo in San Jeronimo mit Hühnern, Kaninchen,
Enten usw.
und Übernachtung in Rabinal. Besuch einer Jugendgruppe, die zum ersten
Mal
Tomaten in einem riesigen Gewächshaus anbaut. Am Nachmittag eine sehr
gute Weiterbildung
über interfamiliäre Gewalt und sexuelle Übergriffe im CIF von Rabinal.


Am nächsten Tag
Besuch einer grossen
Kooperative in Chimaltenango, die Gemüse in die USA und Europa
exportiert.
Kennen Lernen all der hygienischen Massnahmen, die vor allem die USA
verlangen
von der Toilette bei jedem Feld, auf
dem das Gemüse angebaut wird bis zu den
Handschuhen und Haarnetzchen bei der Ernte und Verarbeitung - grosses
Staunen
der TeilnehmerInnen. Am selben Tag Besuch einer Kooperative, die vor
allem
Kefen für den Export anbaut. Hier hatten wir auch direkten Kontakt mit
den Klein-Bauern.
Übernachten in der Nähe von Panajachel und trotz Müdigkeit geniessen
des
grossen Dorffestes mit Feuerwerk. Am nächsten Tag Besuch einer weiteren
Kooperative, die vor allem Mini-Zucchini, Kefen und Mini-Rüebli anbaut
auch mit
Plastikabdeckung. Da haben wir auch die Normen für die verschiedenen
Gemüse
kennen gelernt, die verlangt werden. Danach Ausflug mit dem Schiff auf
dem
Atitlansee - einem der schönsten Seen in Zentralamerika.

Am
nächsten Tag besuchten wir in Guatemala Stadt einen grossen
Gemüsemarkt, den
Zoologischen Garten, einen Markt mit einheimischem Handwerk, der vor
allem für
die Touristen eingerichtet wurde und eine grosse Gärtnerei, die Blumen
und
Bäume verkauft.
Wir haben viel
gesehen und die jungen Menschen haben auch sehr viel gelernt. Vor allem
die
Hygienevorschriften, der technisierte Anbau und dass man mit
Landwirtschaft
Geld verdienen kann, hat sie tief beeindruckt. Die
Besuche bei den Gemüsebauern und
Kooperativen hat uns Helvetas vermittelt und Herr Pedro Hoffmann hat
uns dabei
kompetent begleitet.
Wenn wir jetzt
zum Beispiel in einer Comunidad Orangenkonfitüre herstellen, erklären
die
Promotorinnen sehr genau, was sie über die Hygienevorschriften gelernt
haben
und können nun so doch einige Hygiene-Massnahmen durchsetzen wie zum
Beispiel:
Die Geräte, Tische und Hände sehr gut mit Seife Waschen, persönliche
Hygiene,
die Haare gut zusammennehmen, keine Kinder und Tiere in den Räumen, in
denen
gearbeitet wird usw. Das wird uns bei der Kommerzialisierung, mit der
wir
nächstes Jahr anfangen werden, sehr helfen.

Kommerzialisierung
- ein nicht sehr schönes Wort, aber etwas
sehr Wichtiges, damit die Menschen auch von
ihren
Produkten leben können. Hier
wächst so viel, das man verarbeiten und danach verkaufen kann. Wie oben
schon
erwähnt, werden wir ab nächstem Jahr versuchen, einiges Herzustellen
und zu
Verkaufen, nicht nur in den Comunidades und Cahabón, sondern in ganz
Guatemala.
Dazu gehört die Orangenkonfitüre, Ananaskonfitüre, Zitronensirup,
Pesto,
scharfer Curry mit Chili, Ingwer, Schokolade in diversen Ausführungen,
Zitronentee, getrocknete Früchte usw. Allerdings braucht das auch mehr
Personal
und wir sind daran, ein Projekt auszuarbeiten, weil ich das alles nicht
mehr
alleine machen kann.
Und
jetzt komme ich zum Schluss auch noch zu den Familiengärten, mit denen
alles
angefangen hat. Wir arbeiten im Moment mit 122 Familiengärten und haben
32
Gärten etwas aufs Eis gelegt. Das heisst, wir haben den Familien, die
nie Zeit
haben oder nie die Ratschläge der Promotorinnen befolgen oder kaum
arbeiten, ans Herz gelegt, sie sollen ihre
Gärten in
Ordnung bringen und Kompost herstellen und sich dann wieder melden. Es
ist für
die Promotorinnen sehr schwierig, immer wieder nach langen Fussmärschen
zu
einem Garten zu kommen, in dem nie gearbeitet wird oder die Familien
nicht
einmal zuhause sind. Wir wollen uns auf die guten Gärten konzentrieren
und vor
allem auch mehrere Gärten in einer Comunidad betreuen, sodass wir mit
den
Gruppen anfangen können zu arbeiten um die Frauen weiterbilden. Wir
werden
voraussichtlich in 12 Comunidades nächstes Jahr mit grösseren Gruppen
arbeiten
können und in vielleicht 6 der Gruppen auch den einjährigen Kurs über
interfamiliäre Kommunikation durchführen können.
Die Gärten sind
farbiger geworden. Die Frauen fangen an, viel einheimisches Gemüse zu
säen.
Auch Bananen, Yuca, Taro oder Süsskartoffeln sehen wir plötzlich in
oder um die
Gärten. Baumspinat wird populärer und auch die Baumbohnen. Sie wissen
auch
langsam, welches Gemüse ihrem Boden und ihrer zur Verfügung stehenden
Zeit
angemessen ist. Wer wenig Kompost hat und einen harten Boden, kann zum
Beispiel
keine Rüebli anbauen. Sie werden langsam selbstständiger. Und da es
sich herum
spricht, dass hier Gemüse wächst, sind die Anfängerinnen auch nicht
mehr so ängstlich.
Die Gärten sind immer noch die Grundlage unserer Arbeit und brauchen
immer noch
viel Betreuung.
Ich habe sehr
viel Geld ausgegeben dieses Jahr für die diversen Projekte, die laufen.
Chiacach (Oberstufenschule), Weben, Bambus, einwöchiger Ausflug,
Kommerzialisierung, Kaninchen. Aber wir haben auch sehr viel erreicht,
in den
rund zweieinhalb Jahren, in denen wir jetzt arbeiten.

Ich
bin
deshalb froh, um jede weitere Spende, damit ich mit den diversen
Projekten
weiter arbeiten kann. Im Moment bin ich auch am Unterstützen von 2
Bebes, die
gekaufte Milch brauchen, bis sie anfangen können zu essen. Da ist
einmal Juan Carlos, dessen Mutter, bei der
Geburt
gestorben ist und Deri mit einer offenen Hasenscharte. Die Frauen
kennen hier
das Abpumpen
der Milch nicht. Deri kann mit seiner offenen Hasenscharte keine Milch
von der Brust seiner Mutter trinken. Die Milch ist sehr teuer, um die Q
550.00, das sind fast CHF 100.00 pro
Monat. Dann gibt es immer wieder
Krankheitsfälle, die zum mir kommen und um Geld bitten. Ich möchte das
zwar
nicht ausweiten, aber es gibt immer wieder Notfälle.
Ich wünsche
Euch allen wunderschöne und
besinnliche Weihnachten und einen sanften Rutsch ins Neue Jahr.
Viele
liebe Grüsse aus
Cahabón.
Helen Hagemann
Danke für alle
eingegangenen Spenden. Sie
ermöglichen mir, all die kleineren und grösseren Projekte, die nicht
durch die
Schule abgedeckt sind zu finanzieren und helfen mit, dass viele
Familien
anfangen können, menschenwürdiger zu leben.
Spenden bitte
auf PC-Konto: 49-8882-5 oder 30-204733-6 oder
Obersimmentalische
Volksbank Zweisimmen Konto 2.010.739.00
9. Rundbrief aus Cahabón -
Ende Juni 2007
Liebe
Freundinnen und Freunde, liebe
Kolleginnen und Kollegen, liebe Frauen und Männer
Zimt- Pfeffer- Schokoladen-
und Schwefelduft umgeben mich im ins
Kerzenlicht getauchten Zimmer, während
draußen ein
tropisches Gewitter tobt. Schade kann ich Euch den Duft nicht
mitschicken. Ich
werde aber einiges in die Schweiz mitbringen.
Wie meist bei
tropischen
Gewittern gibt der Strom seinen Geist auf. Beim Anzünden der Zündhölzli
für die
Kerzen habe ich mir eine Fingerspitze verbrannt. Die Hölzli sind so
feucht,
dass es viele Versuche braucht, bis endlich eines davon so Feuer fängt,
dass
ich damit eine Kerze anzünden kann und nicht die Hälfte vom Köpfli
abspringt
oder ein Funken von Schwefel auf meine Finger überspringt.
Zum Glück hat
mein Laptop eine
Batterie, so kann ich wenigstens weiter schreiben.
Im
Juli komme ich für 2 Monate in
die Schweiz, doch mehr dazu am Schluss des Berichtes.
Ich bin mitten in einer Duftwolke
von Zimt, schwarzem Pfeffer und Schokolade, weil ich morgen Nachmittag
einiges
zum Verkaufen mitnehmen möchte nach Cobán und Guatemala. Zimt und Pfeffer
sind
verpackt und brauchen nur noch die Etiketten. Die Schokolade möchte
noch
verpackt und mit Etiketten versehen werden. Die Etiketten sind fertig
vorbereitet
im Computer, aber leider braucht auch der Drucker Strom. Also werde ich
wohl
morgen um 5 Uhr aufstehen, wenn es langsam hell wird, hoffen, dass der
Strom
wieder da ist und anfangen zu schneiden, kleben und verpacken.
Um 7 Uhr fahren
wir dann noch in die
Comunidad (Weiler) Rumpok, um einer Gruppe zu helfen, die untereinander
in
Schwierigkeiten geraten ist.
Der Schwefelgeruch kommt von einer Schwefelseife,
die ich gestern Nacht hergestellt habe für eine Frau, deren Hände von
einem
Pilz überzogen sind. Tabletten, Schwefelseife und eine natürliche
Pomade
sollten ihr helfen, diesen Pilz wieder in den Griff zu bekommen. Sie
kann
nichts mehr arbeiten und die Medis aus der Apotheke haben auch nichts
geholfen.
Zimt, Pfeffer
und die Schokolade
kommen aus verschiedenen Comunidades. Langsam fangen wir mit der
Kommerzialisierung an. Allerdings noch ohne konkretes Projekt. Dieses
ist bei
einer baskischen Organisation eingegeben und wir hoffen, dass es im
Herbst
bewilligt wird. Und so kreiere ich Etiketten und Verpackungen, die bis
jetzt
bei den Kunden gut ankommen. Ich bin daran eine Qualitätsmarke für
Cahabón zu
kreieren für die verschiedenen Produkte, die wir über die Schule
vermarkten möchten.
Am Ende sollte eine Kooperative oder so etwas Ähnliches entstehen, in
der die
Menschen gelernt haben, die Qualität einzuhalten, zu verkaufen, zu
vermarkten
und neue Produkte und Nischen zu finden. OMI
- "la calidad cahabonera orgánica" = OMI - "die Bio
Qualität aus Cahabón". Der Name OMI ist für mich ein gutes
Omen. Ich
fragte die Promotorinnen danach, ob hier auch so etwas bekannt sei, wie
die
Qualität des Essens der Grosseltern, wie ich es schon in Cobán gesehen
habe.
Das ist zwar hier nicht bekannt, aber den Namen, die die Promotorinnen
fanden,
war eben OMI - das heisst ja auch Grossmutter auf Deutsch. Also hoffe
ich, dass
uns das Glück bringt.
Unterdessen hat
die Regenzeit
angefangen nach einer langen Trockenzeit und die Gärten fangen wieder an zu leben. Die Promotorinnen arbeiten
unterdessen auch mit Basismedizin für Tiere wie Hühner, Enten und
Schweine. Wir
Impfen im Moment Tausende von Hühnern und Enten und versuchen die Leute
dazu zu
motivieren, danach selber ihre Tiere zu impfen. Jetzt ist wieder die
Hühnerpest
in der Nähe und da sterben meist alle nicht geimpften Hühner eines
Weilers. Die
Schweine haben teilweise so viel Parasiten, dass sie daran sterben. Wir
versuchen
jetzt in 2 Comunidades Tier-Promotoren auszubilden, die dann das
Basiswissen
und Basismedizin in der Comunidad haben und damit ihren Leuten helfen
können.
Falls dies funktioniert, werden wir einen Kurs ausschreiben. Es braucht
allerdings viel Geduld, mehrmaliges Erklären und dann auch
Erfolgserlebnisse,
bis die Menschen an eine Tiermedizin glauben. Aber bis jetzt
funktioniert es
gut und wir haben schon vielen Tieren das Leben gerettet und somit auch
vor
allem den Frauen, die ja auch zuständig sind für diese Tiere, einen
zusätzlichen
Verdienst verschafft, wenn ihre Tiere nicht mehr sterben.
5 Promotorinnen
und eine
"Koordinatorin" arbeiten jetzt mit den Frauen.
Neben der
Tiermedizin und
natürlich den Gärten geben wir jetzt auch Kurse in Hygiene und ab
August Kurse
in Durchfall und Austrocknung des Körpers. An dieser Austrocknung
sterben sehr
viele Kinder und auch Erwachsene, vor allem bei Durchfall und
Erbrechen. Das
schlimme ist, dass Kinder bei Durchfall oft nichts mehr zu essen und
trinken bekommen
und die Frauen die Bebés nicht mehr trinken lassen. Ein weiteres Thema
ist das
Essen während der Schwangerschaft. Vieles ist da verboten, was man
nicht essen
kann oder darf. Ein noch heikleres Thema, das wir bis jetzt nur mit den
Promotorinnen angegangen sind, ist alles was mit Sexualität,
Schwangerschaft,
Verhütung, Menopause usw. zusammen hängt. Das ist wie früher bei uns
ein
totales Tabu Thema und auch die Lehrerinnen, die bei uns arbeiten,
wissen nicht
viel darüber. In allem allerdings sind sich alle einig - einen Orgasmus
kann
nur ein Mann bekommen!!
Am
18. Juli komme ich in die Schweiz und werde
bis zum 12. September da bleiben. Ich werde im August sicherlich am
Jubiläum
von Fidei Donum teilnehmen, in Spiez habe ich schon einen vorläufigen
Termin
(26./27. August) und werde wohl noch an anderen Orten sein. Ich werde
Euch
rechtzeitig informieren, sobald ich alle Daten habe. Natürlich seid ihr
auch
herzlich eingeladen, mich nach Absprache
in Zweisimmen zu besuchen.
Die Situation
in Guatemala ist
schwierig. Sehr viel Kriminalität mit vielen Toten. Guatemala hat jetzt
Freihandelsverträge mit den USA und strebt weitere mit China und
Europa an. Das
bringt nur den schon Reichen und den Multis Geld. Freihandelsverträge
funktionieren nur unter gleichberechtigten Partnern, sprich Ländern.
Des
Weiteren will die Regierung Zollfreizonen in jedem Departement
schaffen, wo die
Ausländer Maquilas (meist Kleidernähfabriken und ähnliches) aufstellen
sollen
und so ungeschützte, billige Arbeitsplätze und ohne Bezahlung von
Steuern
errichten sollen. Der Mais, das Hauptnahrungsmittel wird immer teurer,
weil vor
allem die USA, die sehr viel Mais nach Guatemala exportiert hat, den
Mais jetzt
für die Herstellung von Methanol braucht. Es scheint, dass die
Hersteller von
Methanol höhere Preise für den Mais bezahlen, als die
Nahrungsmittelindustrie
und die Konsumenten von Mais. So dreht das Rad sich weiter - Benzin und
Mobilität ist heute wichtiger als Essen. Dazu kommt, dass Guatemala
über 100
Bewilligungen für Bergbau (Guatemala ist reich an Bodenschätzen) unter
offenem
Himmel ausgestellt hat. Alles sind ausländische Firmen und müssen nur
1% des Gewinns
an Guatemala abgeben. Minimale Umweltbestimmungen
und keine Schwierigkeiten beim Landkauf beflügeln die Bergbauindustrie.
Unterdessen sind auch Comunidades von Cahabón betroffen. Ganze
Comunidades
werden aus ihren Dörfern verjagt. Anderorts geben die Menschen die
Bewilligung
für Untersuchungen ohne zu wissen, um was es sich handelt. Ihnen werden
Löhne
versprochen, Geschenke gemacht, die Leader der Comunidades werden
gekauft.
Irgendwie ist es schwierig, den Menschen einen Vorwurf zu machen - sie
haben
kein Geld und möchten auch endlich teilhaben am Reichtum, der um sie
herum
entsteht. Auch endlich ein Fahrrad, ein Radio, ein Fernseher, Coca
Cola, Geld
für die Schule und Studium der Kinder, Geld für Medikamente und Spital-
oder
Arztbesuch..... Schlimm ist, was zurückbleibt nach der Ausbeutung einer
Region
im Offenabbau ohne greifende Gesetze auch für
die Entsorgung des Giftmülls und
Wiederherstellung des verwüsteten Gebietes.
Dazu kommen
Gesamtwahlen im
September. Wahlfieber überall - jedes Wochenende kommen
Präsidentschaftskandidaten
oder ihre Gattinnen mit Helikoptern zu Besuch und versprechen der Blaue
vom
Himmel herab. Auch Rigoberta Menchu ist eine
Präsidentschaftskandidatin. Aber
sie hat keine grossen Chancen. Ich glaube, sie wird sehr stark
missbraucht von einigen
Menschen. Am Samstag kommt sie nach Cahabón und ich werde wohl hingehen
und
schauen und hoffen, dass wenigstens sie nichts verspricht, was sie
niemals
halten können.
Ich
freue mich auf die Schweiz
und hoffe, viele von Euch zu treffen.
Liebe Grüsse
aus dem
feuchtheissen Cahabón. Helen
Fotos:
Einige Produkte der Kommerzialisierung, Kinder helfen beim Impfen in
Sebas,
einer der wunderschönen Mogenstimmungen
10. Rundbrief vom
Dezember 2007
Liebe Freundinnen und Freunde,
schon
wieder ist ein Jahr vorbei.
Weihnachtszeit und doch kommt hier für mich keine richtige
Weihnachtsstimmung
auf. Sie Bräuche sind sehr verschieden hier. Zwar gibt es
Weihnachtskrippen und
Posadas und seit ein paar Jahren auch Weihnachtsschmuck in Form von
Lichterketten an den Häusern (aus China), der Weihnachtsrummel und die
Fernsehpropaganda wird immer grösser, Santa lacht immer mehr sein Ho Ho
Ho und
in einigen Häusern sieht man jetzt hier auch Weihnachtsbäume -
Fernsehen sei
Dank. Wir werden auch hier immer US-amerikanischer. Ich glaube aber,
dass das
Wetter für meine fehlende Stimmung die grösste Rolle spielt. Wir haben
im
Moment wunderschönes Wetter. Sonnenschein jeden Tag und nachts kühlt es
ganz
schön ab.
Ich möchte Euch von einer Mayazeremonie erzählen, die ich vorgeschlagen
habe und zu der ich am 27. in Chiacach eingeladen war.
Aber zuerst möchte ich Euch allen alles alles Gute für das Neue Jahr
wünschen. Die Festtage sind wohl schon fast vorbei. Ich bin etwas spät,
aber ich hoffe, ihr hattet eine erholsame und gute Zeit in diesen
Tagen. Und wünsche Euch noch einen guten
Rutsch. Helen
Danke allen SpenderInnen, die uns das ganze Jahr über unterstützt haben
in Gedanken und auch mit Geld. Ich glaube, das Geld ist gut
angelegt. Am Ende des Berichts kommt noch der Bettelbrief.
Und nun lasst Euch hinein nehmen in eine andere Welt.
Um
4 Uhr abends komme ich an, nach einer 1,5-stündigen Fahrt über holprige
Naturstrassen. Es ist noch heiss und ich suche Schatten für das Auto,
steige aus und verlasse damit meine Welt.
Viele Kinder umringen wie immer das Auto und schauen neugierig hinein.
Ich suche die SchülerInnen und gehe zum Allzweckraum mit Küche -
Holzwände aus breiten Brettern aus dem eigenen Wald und von Hand mit
einer Motorsäge zugeschnitten, zwei Türen und Wellblechdach. Trotzdem
ist es angenehmkühl in dem grossen Raum.
Der Vordere Teil ist noch abgetrennt, er diente als Schulraum. Nur noch
die Tafel erinnert daran. Chiacach hat ein neues Schulhaus bekommen mit
3 Klassenzimmern. Das Provisorium hat somit ausgedient. Anschliessend
befindet sich die grosse offene Kochfläche, aufgebaut mit Steinen auf
ca. 50 cm Höhe. Hier finde ich einen grossen Teil der Schülerinnen. Sie
bereiten die Tortillas vor für das traditionelle Essen, das zu jeder
Zeremonie gehört. Das Schweinefleisch ist schon vorgekocht.
Viele haben schon vor meiner Ankunft hier viel gearbeitet. Kerzen
gezogen (alle Teilnehmende bekommen 2 Kerzen), Kirche vorbereitet,
Schwein geschlachtet, das Fleisch geräuchert und am nächsten Tag
vorgekocht (Kühlschränke gibt es hier nicht – auch keinen Strom), die
Tamales vorbereitet (Maisküchlein eingewickelt in Bananenblätter und im
Wasser gekocht), den Pom (einheimisches Harz als Weihrauch) eingekauft
und vorbereitet, das Mayakreuz vor dem Altar mit Blumen, Blättern und
Kerzen gestaltet. Alle haben mitgeholfen. Jeder hat seine spezifische
Arbeit. Hier klappt die Zusammenarbeit seit Jahrtausenden.
Ich setzte mich in die einzige Hängematte im Raum und nach kurzer Zeit
wird Kakao und ein Stück Fleisch mit Reis gebracht. Ich esse und schaue
dem emsigen Treiben der jungen Frauen zu. Ein paar Fotos – lachen beim
Anschauen auf dem Bildschirm der Kamera.
Langsam wird es dunkler draußen. Immer mehr Frauen erscheinen mit
Kindern und hängen in dem Raum ihre Hängematten auf. Die Frauen werden
das weitere Essen
zubereiten und auch in der Zeremonie ihren Teil beitragen. In den
Hängematten werden dann ihre kleineren Kinder schlafen. Ich gehe zum
Auto, um meine Taschenlampe zu holen und lege mich wieder in die
Hängematte. Draussen wird es um 6 Uhr stockdunkel sein. Drinnen werden
einige Kerzen an die Wände geklebt, die den Raum notdürftig erhellen.
Immer mehr Leute – ein Kommen und Gehen. Männer, Frauen, Kinder – sie
suchen etwas, hängen ihre Taschen an die Wände, betten ihre Kinder in
die Hängematten oder arbeiten an der Vorbereitung des Essens. Ein
emsiges hin und her – Taschenlampen blitzen auf oder Kerzenschein
schwebt in irgendeiner Hand vorbei.
Um 7 dann eine Versammlung mit den Jugendlichen aus dem 7.-9. Schuljahr
– knapp mehr Mädchen als Jungs – in dem ehemaligen Schulraum. Viele
Erwachsenen hören im Hintergrund zu. Es geht darum, den Jugendlichen,
die auswärts studieren gehen, Ratschläge zu geben. Diese Jugendlichen
kommen in eine total fremde Welt, ohne Familie im Hintergrund, allein
auf sich gestellt (es sind zwar immer 2-3 am selben Studienort), eine
Welt, die anders funktioniert, als die Welt zuhause. Die vertraute
Sprache fehlt. Ich und José Reyes der Lehrer geben ihnen diese
Ratschläge mit auf den Weg – vor allem in Form von
Verantwortlichkeiten. Verantwortlich für sich selbst – genügend und
gesund essen, persönliche Sauberkeit – studieren nicht für die Examen,
sondern für das Leben; verantwortlich gegenüber den Geldgebern,
seien dies Eltern oder Stipendiengeber – studieren und nicht Feste
feiern oder gar Kinder kriegen, das ist für später vorgesehen;
verantwortlich gegenüber ihrer comunidad – weitergeben, was sie gesehen
und gelernt haben an ihre KameradInnen und Familien und später am
Aufbau ihrer comunidad mithelfen. Das ganze lebhaft und auch mit
Gelächter aber die Menschen hören sehr aufmerksam zu.

Kurz nach 8 wechseln wir dann in die festlich geschmückte Kirche.
Dieselbe Bauweise, Holz und Wellblechdach. Harfenmusik begleitet die
wichtigen Schritte jeder Zeremonie. Langsam erscheinen alle Familien
(ausser 3) mit ihren grösseren Kindern und die Kirche füllt sich. Nach
einer Begrüssung durch die Katecheten und Ältesten wird abwechselnd
gesungen - dies mit Gitarrenbegleitung durch die Jungs – und Ansprachen
von Ältesten, mir, dem Lehrer und dem Bürgermeister von Chiacach. Es
geht nun nicht nur um die SchülerInnen, die auswärts studieren gehen,
sondern auch um die SchülerInnen der Unterstufe und den
Ex-SchülerInnen, die zuhause weiterarbeiten werden.
Danach Bibeltext, Auslegung durch einen Katechisten, und dann das
herein tragen der Gaben durch die Frauen. Mit viel Weihrauch beräuchern
sie das Mayakreuz, den Altar, die Heiligen und nach Abstellen der Gaben
ins Mayakreuz umrunden sie 3x links herum und 3x recht herum den Alter
mit dem Weihrauch. Dazu spielt immer die Harfenmusik. Sie knien alle
vor das Mayakreuz, die Kerzen in den Händen und beten inbrünstig für
die Jugendlichen und sicherlich auch für die Comunidad. Nach dem
Aufstehen, beten in die 4 Himmelsrichtungen mit anschliessendem
Kreuzzeichen und Verbeugung. Danach tanzen sie immer noch zur
Harfenmusik ihren traditionellen Tanz. Das ganze ist getragen von einer
Würde, Hingabe an Gott in einer sehr intensiven und dichten Atmosphäre.
Das Vater Unser gesungen in einem mitreissenden Rhythmus weckt uns aus
der tiefen Versunkenheit dieser Gaben Darbringung. Der Friedensgruss
ist lebendig und voller Freude. Und während ein
Ältester redet, werden an alle Anwesenden Kerzen verteilt. 2 Kerzen für
2 weitere Zeremonienteile.
Der erste Teil in der Kirche – alle Menschen knien sich nieder und
beten laut zu Gott, Jesus, Tzuultaqa, danken, bitten bis das Gebet
langsam verebbt und der Vorbeter das Abschlussgebet spricht. Ich fühle
ein Eingebundensein in das Ganze, ein Mit-Hineingenommensein in die
Gemeinschaft und das Gebet.
Das ganze wird vor der Kirche nochmals wiederholt. Pom (Baumharz) wird
in einem tönernen Gefäss verbrannt und die Flammen steigen immer höher
in den Himmel. Gedanken kommen auf, von Gott, der die Opfer annimmt –
Gebete, die zum Himmel steigen und als der Wind einmal die Flammen zum
Boden zurückdrückt die Frage, ob wohl Gott das Opfer ablehnt –
Erleichterung, als die Flamme wieder aufrecht gegen Himmel strebt.
Dieselbe
Gebetsform wiederholt sich, nur diesmal noch lauter, noch inbrünstiger
und der neue Bürgermeister will gar nicht aufhören, als alle schon
schweigen, betet er laut weiter. Nach den Gebeten werden alle
Kerzen drinnen sowie draußen auf den Boden geklebt und verbrennen so
nahe des Mayakreuzes und des verbrennenden Pom. Ein Gebet zu Gott auch
dieses Zeichen der Kerzen. Die aufstrebende Flamme trägt die Bitten
weit hinauf in den Himmel und die Unendlichkeit.
Wieder zurück in der Kirche wird das Abschlusslied gesungen. Danach
kommt die eigentliche Segnung aller Kinder, die in die Schule gehen und
der Jugendlichen, die auswärts studieren werden und derer, die zuhause
an den Projekten weiterarbeiten werden. Drei Älteste nehmen die Segnung
vor. Einer nimmt das Kreuz, einer die Bibel und einer die Altarkerze.
Nun werden jedem Kind und Jugendlichen zuerst das Kreuz, dann die Bibel
und danach die Altarkerze auf den Kopf gelegt als Zeichen der Segnung.
Viele Kinder warten diesmal still und fast andächtig die Segnung durch
die Ältesten. Viele Mütter stehen am Rand und schauen zu. Danach kommen
die obligaten Dankesreden der Ältesten und Katecheten, während die
Jugendlichen anfangen, das Essen hineinzutragen in die Kirche. Das
zeremonielle Essen von einer Suppe mit Schweinefleisch bei dieser
Zeremonie oder Hühnerfleisch findet normalerweise in der Kirche statt.
Das Kacheli mit dm Essen wird auf den Boden gestellt und nach einer
Aufforderung zum gemeinsamen Essen,
wird auch gemeinsam gegessen. Es ist unterdessen 2 Uhr nachts geworden
und ich habe mir vorgenommen, wieder nach Hause zu fahren. Die
Hängematten sind alle besetzt. Die meisten werden erst am Morgen nach
Hause gehen und die Nacht in den Hängematten oder einfach am Boden
schlafen. Die Harfe wird noch bis zum Morgengrauen weiter spielen. Zum
Glück kam Reginaldo mit mir. Unterwegs musste ich ihn auffordern, mir
etwas zu erzählen, damit ich nicht einschlafe und er erzählte mir
Geschichten, die ihm sein Grossvater erzählt hat. Um 4 Uhr morgens
waren wir wieder in Cahabón. Als mich jemand um 8 Uhr rief, wusste ich
im Moment nicht mehr, wo ich war. Ich schlief noch einige Stunden
danach weiter. Ich werde langsam alt.
Ich
hatte die Idee einer Zeremonie für die Jugendlichen, die auswärts
studieren gehen. Ein Hintergedanke war auch dabei. Ich wollte das
Projekt des Ciclo Básico besser in die Comunidad einbinden. Die
Ältesten schlossen dann alle SchülerInnen mit ein – ein richtiger Weg.
Es war die erste Zeremonie, die in Chiacach für die Schüler und deren
Stärkung durchgeführt wurde. Und ich nehme an, auch die erste in
Cahabón. Den Menschen hat die Zeremonie gefallen, wie ich gehört habe
und mir
auch.
In Chiacach arbeite ich seit 2005 vor allem mit dem Ciclo Básico, das
ist das 7.-9. Schuljahr hier in Guatemala. Damals kamen ein Vater und
ein Lehrer zu mir und baten um Hilfe. Sie waren kurz davor, das Projekt
Ciclo Básico aufzugeben, weil die Eltern kein Geld hatten, die
jährliche Einschreibegebühr und die monatlichen Kosten zu bezahlen.
Also machten wir einen Vertrag zwischen den SchülerInnen und mir. Sie
werden einen grossen Garten bearbeiten und ich werde die Kosten für die
Schule übernehmen. Unterdessen hat neben dem Schulgarten nicht nur
jedeR SchülerIn einen Garten zuhause, die Schule hat auch einen
Fischteich, einen Hühnerhof und eine diversifizierte Parzelle mit
einheimischem Gemüse wie Maniok, Taro, Süsskartoffeln, Bananen
Zuckerrohr usw. Auch fast alle Familien der SchülerInnen haben eine
dieser Parzellen, die für eine bessere Ernährung der Familien sorgt.
Viele Weiterbildungen haben ich, meine Kollegen, die Promotorinnen und
Promotoren mit den SchülerInnen veranstaltet. Von der Mayakultur über
Kochen bis zum Pfropfen von Bäumen. Der Lehrer und Direktor des Ciclo
Básico, Jose Reyes Cucul hat einen grossen Anteil an dem Erfolg der
Schule. Er ist auch einer der 2 Lehrer der Unterstufe in Chiacach.
Es waren immer zwischen 17 und 19 ShülerInnen in dieser Oberstufe. 2005
haben Mario (Agronom des Instituts, in dem ich arbeite)und ich zum
ersten Mal 3 Ex-Schüler des Instituts zu einer Schule in Escuintla
gebracht, in der sie gratis einen 2-jährigen Bachelor Studiengang
absolvierten. Einer davon war Pablo aus Chiacach, der erste Schüler
überhaut aus Chiacach, der einen höheren Studiengang auswärts
absolvierte. Nächstes Jahr werden es 11 SchülerInnen sein, die an
verschiedenen Orten in Guatemala einen Bachelor Studiengang absolvieren
und Pablo wird in Nicaragua an der Uni weiter studieren. 3 junge Frauen
und 9 junge Männer. 7 studieren mit Stipendien und die anderen 5 mit
Hilfe der Eltern in Internatsschulen von Orden.
Viele der Bachelor Studiengänge beinhalten gleichzeitig das Erlernen
eines Berufes. So werden wir in einigen Jahren doch einige Berufe
haben, die Chiacach als Comunidad weiter helfen können. Pablo Sub Xol
(Landwirtschaft), Luis Sub Xol (Landwirtschaft), Jorge Choc Saquij,
Adolfo Caal Sub (Automechaniker), Maria Caal Sub (Schneiderin), Victor
Tzalam Chun (Automechaniker), Maria Angelica Caal Xol (Computer), Aura
Florinda Maquín Quib (Computer), Elder Maquín Saquil (Schreiner),
Miguel Maquín Saquil (Elektriker), Marco Aurelio Xuc Quib, Juan Rafael
Bol Rax (Geschäftsführung). Die Idee ist klar, alle SchülerInnen haben
nach dem Studium die Verpflichtung, ihrer Comunidad zu helfen.
Im Januar werden wir eine Asociación - einen Verein bilden, mit Regeln,
Verpflichtungen und Rechten. Diese Form der Organisation ermöglicht es
auch, die Errungenschaften der Schule zu schützen, so dass niemand den
SchülerInnen die Projekte wegnehmen kann. Als nächstes sind nämlich ein
Laden und eine Maismühle geplant, später eine Bäckerei, Kaninchenzucht
und eine Schweinezucht. Die Einnahmen der diversen Projekte sollen
helfen, dass alle Kinder mindestens den Ciclo Básico absolvieren
können. Gleichzeitig lernen die jungen Menschen Zusammenarbeit,
Verantwortung und natürlich auch die Handhabung der verschiedenen
Projekte. Die älteren SchülerInnen sind jeweils verantwortlich dafür,
dass die neu Eintretenden die Handhabung der verschiedenen Projekte
lernen, inklusive einer Buchhaltung, der Handhabung eines Bankkontos
usw. Ex-SchülerInnen, die in Chiacach bleiben, sind immer herzlich
eingeladen, in dem Projekt weiter zu arbeiten. Wenn Ex-SchülerInnen des
Ciclo Básico einen Beruf ausüben, sind sie verpflichtet, jeden Monat
einen Betrag (je nach Verdienst) in die Kasse der Schule zu überweisen.
Aus dem Überschuss der Kasse können auch Stipendien bezahlt werden.
Nicht zu vergessen sind auch die 2 Ex-Schüler aus Chiacach, Manuel und
Reginaldo, die ein Micro-Empresa - ein kleines Unternehmen mit der
Möbelfabrikation aus Bambus aufgebaut haben. Langsam geht es aufwärts
und sie lernen auch zu verkaufe und nicht nur zu produzieren.
Eben gerade habe ich einen Anruf erhalten von José Reyes, dem Lehrer. 6
Jugendliche aus dem Nachbardorf wollen nächstes Jahr in Chiacach
studieren und es scheint, dass auch Leute aus Cahabón anfragen, ob ihre
Kinder nicht in Chiacach den Ciclo Básico absolvieren möchten. Die 6
Jugendlichen aus Salak dem Nachbardorf werden eher eine Chance haben.
Das Komitee der Schule und die Menschen aus Chiacach haben dies zu
entscheiden. Dann sehen wir weiter. Im Moment werden aus Chiacach
selber nur 6 neue SchülerInnen eintreten in den Ciclo Básico – immerhin
6 der 8 SchülerInnen, die die 6. Klasse dieses Jahr abgeschlossen haben.
Projekte, für die ich vor allem Geld brauche:
- 2
Stipendien für Maria Angelica und Aura Florinda, die in San Cristobel
Bachelor mit Computer studieren werden für 1 Jahr und 2 SchülerInnen
Sfr 3170.00
- Lohn
für die 3 Lehrer in Chiacach für den Ciclo Básico ca. Sfr 2500.00
- Einschreibegebühr
für die SchülerInnen Ciclo Básico rund Sfr 450.00
- Lohn
für eine oder 2 Promotorinnen rund Sfr 5000.00 für eine Promotorin
- Projekt
eines Laden rund Sfr 2000.00
- Projekt
einer Bäckerei rund Sfr 3400.00
- Projekt
einer Maismühe rund Sfr 1670.00
FALLS JEMAND EINE INSTITUTION KENNT, DIE STIPENDIEN VERLEIHT, BITTE
MELDET DIES MIR DOCH. ES GIBT SO VIELE GUTE SCHÜLERINNEN, DIE WEITER
STUDIEREN MÖCHTEN.
Danke danke allen, die uns aus finanziell weiterhelfen und immer wieder
unterstützen können.
Bäckereien, Läden und Maismühle werden auf Basis eines Kredites
vergeben. 6% jährlich zu bezahlen. Wenn die Kredite zurückbezahlt sind,
können weitere Projekte vergeben werden. Die Kredite sollten innerhalb
eines Jahres oder 1,5 Jahren zurückbezahlt werden können. Die Bäckerei
ist im Moment vorgesehen für eine Frauengruppe in Chaslau.
Viele Ex-Schüler zum Beispiel möchten einen Laden in ihrer Comunidad
aufbauen.
Helen Hagemann
Instituto Fray Domingo de Vico
Barrio San Pedro
GUA 16012 CAHABÓN - Altaverapaz
GUATEMALA
Cel: 56 37 85 24
TEL: 00502 79 83 18 55 (Instituto)
11. Rundbrief vom 20 August 2008
Liebe Freundinnen und Freunde,
Es ist 6 Uhr morgens. Eben komme ich aus Tamax zurück, wohin ich die
Promotoren gefahren habe. Sie werden der Familie eines Schülers helfen,
die Kakaobäume und ihre Schattenbäume zurückzuschneiden, damit die
Kakaobäume wieder viele Früchte tragen. Vor etwa 4 Jahren ist eine
Pilzkrankheit des Kakaos hier aufgetaucht, die sich über Jahre hinweg
den Weg von Kolumbien über Zentralamerika nach Guatemala und
jetzt auch nach Mexiko gebahnt hat. Diese Krankheit Monilla befällt die
Früchte. Mit einem guten Schattenmanagement – will sagen, die Früchte
dürfen nicht viel Schatten haben – ist diese Krankheit sehr gut
kontrollierbar.
Tamax ist eine Aldea, direkt am Fluss Cahabón gelegen. Immer noch ist
keine Brücke vorhanden und die Fähre funktioniert in der Regenzeit
wegen Hochwasser fast nie. Auf der anderen Seite des Flusses liegen
etwa ¼ aller Dörfer von Cahabón. Die Pfeiler der Brücke stehen. Und
auch der ganze Mittelteil war vorbereitet zum Betonieren. Vor etwa 3
Wochen haben sie nachts angefangen den Beton einzufüllen. Auch der
Bürgermeister war da, als um 3 Uhr morgens das ganze Gebilde einstürzte
und 10 Männer mit in die Tiefe riss. 9 Männer waren aus Tamax und
können schwimmen. Diese konnten sich nach ca. 2 Kilometern flussabwärts
an das Ufer retten. Der Sohn des Verantwortlichen des Brückenbaus, ein
18 jähriger Junge aus Zacapa wurde leider nicht mehr gefunden, obwohl
sie da ganze Gewirr von der zusammengebrochenen Brücke mit 2 grossen
Kranen gehoben haben. Zu dünnes Eisen wurde verwendet – irgendjemand
hat sich hier das gesparte Geld in die eigene Tasche gesteckt.
Und hier wären wir bei den Preisen. Sie explodieren unkontrollierbar.
Der Benzinpreis ist seit April 2004, als ich das Auto bekam von Q 12.30
(Sfr 1.75) pro Gallone (3.79 l) auf heute Q 40.30 (Sfr 5.75)
gestiegen, das sind fast 3,5 mal so viel wie vor 4 Jahren. Und mit dem
wird jede Preiserhöhung gerechtfertigt. Grundnahrungsmittel, Artikel
für den täglichen Gebrauch, Busfahrten usw. – nur die Bauern erhalten
nicht mehr für ihre Produkte. Trockenmilch, die vor einem Jahr noch Q
123.00 kostete, kostet jetzt Q 193.00 und so ist es mit fast allem hier
- eine verrückte Welt. Der Konsum geht merklich zurück. An den
Markttagen Mittwoch und Samstag sind sehr wenige Menschen hier. Das hat
allerdings auch damit zu tun, dass die Menschen einfach kein Geld mehr
haben, weil in den Monaten Mai-Juni-Juli-August kaum etwas geerntet
werden kann. Jetzt bessert es wieder ein bisschen, die Chile-Ernte hat
angefangen und bald fängt die Kardamom Ernte an. Das bringt dann doch
einigen Menschen wieder Geld zum Leben und Schulden bezahlen.
Die neue Regierung hat bis jetzt noch nicht viel zustande gebracht.
Allerdings sind sie jetzt daran, armen Familien zwischen Q 100 und Q
300 alle 2 Monate zu bezahlen, damit sie ihre Kinder in die Schule
schicken. Es sind Tausende Familien, die so in den Genuss eines kleinen
Zustupfs kommen. Für die Menschen ist es im Moment vielleicht eine
kleine Entlastung, aber das System ist katastrophal. Es verleitet die
Menschen noch mehr dazu, einfach die Hände auszustrecken, zu rufen: ich
bin arm, und dabei die Hände in den Schoss legen und nichts verbessern
in ihren Anbaumethoden oder Diversifizierung. Schon die meisten grossen
Hilfswerke haben mit dieser Methode gearbeitet und arbeiten immer noch
so – Geschenke und nochmals Geschenke, sie haben den Menschen sogar die
Stunden bezahlt, die sie in den Gärten oder Parzellen gearbeitet haben.
Die
erste Frage ist dann auch meist, wenn jemand mit einem Projekt
kommt, was bekommen wir geschenkt? Ohne Geschenke oder Geld sind sie
kaum interessiert an einem Projekt. Die Erziehung zur Bevormundung geht
jetzt im grossen Stil durch die Regierung weiter.
Schade!
Um mich herum duftet es herrlich. Vor kurzem ging vor meinem Häuschen
eine weisse Nachtblume auf, die sehr stark nach Jasmin duftet. Mein
Häuschen
ist im Moment die Produktionsstätte für die Kommerzialisierung, da das
neue Gebäude dafür noch nicht fertig gestellt ist. Ich habe Säcke
voller Zimt, verpackt und unverpackt, schwarzen Pfeffer, Nägeli, Kakao,
Schokolade in mehreren Formen, und heute haben wir Chile sortiert und
geröstet, Knoblauch geröstet und im Moment trocknen im Ofen noch
verschiedene Kräuter wie Koriander und Samat. Morgen werden wir mit all
diesen Zutaten Chile-Paste machen und auch noch getrockneten Chile
verpacken für den Verkauf. Am Freitag geht es dann weiter mit
verschiedenen Schokoladen – zum Trinken und zum Essen. Es ist der
Endspurt vor meinen Ferien.
Am
1. September komme ich für 2 Monate in die Schweiz. Noch müssen vor
meiner Abreise einige Produkte produziert, verpackt und an die
verschiedenen Läden verteilt werden. Die ganze Kommerzialisierung ist
jetzt am anlaufen. Bald werden wir die Bewilligungen und eine eigene
Firma für die Produktion und den Verkauf haben. Das Logo habe ich fast
fertig. Es fehlen nur noch einige kleine Details. INUP = Ceiba oder
Kapokbaum- heisst die Firma. Die Ceiba ist der Nationalbaum in
Guatemala – INUP ist der q’eqch’i Name dafür. Wir werden vor allem
Produkte, die in Cahabón angebaut werden vermarkten – Zimt – gemahlen
und ganz, schwarzen Pfeffer in Körnern und gemahlen, Nägeli ganz und
gemahlen, Chile ganz und in Chile-Paste und Schokolade zum Trinken und
zum Essen sind die ersten Produkte, für die wir eine Bewilligung
einholen werden. Das ist ziemlich aufwändig, kompliziert und auch
teuer. Doch für den überregionalen Verkauf ist dies heute erforderlich.
Während meinen Ferien wird da nicht sehr viel laufen. Wenn ich
zurückkomme, werde ich dann eine Frau ausbilden, die alles von mir
lernt und dann auch selbstständig weiter arbeiten kann. Es ist nur sehr
schwierig, jemanden zu finden, der eine gute Ausbildung hat und hier
nach Cahabón kommt.
Im Cahabón selber werden wir einen kleinen Laden eröffnen, in dem wir
unsere eigenen Produkte verkaufen werden, aber auch Produkte des
täglichen
Lebens. Da werden wir dann auch produzieren wie Sesamriegel,
Kokosguezli, Shampoo, Seife usw., die nur für Cahabón gedacht sind.
Letzte Woche haben wir auch das erste Mal ein Reinigungsmittel
hergestellt für den Boden und für Fenster. Das wird jetzt hier immer
mehr gebraucht, weil immer mehr moderne Häuser mit Zementsteinen und
Plättliboden gebaut werden.
Die Familiengärten betreut unterdessen Rosa Maria – ehemalige
Promotorin - als Koordinatorin. Dolores arbeitet in den Bergen mit 17
Familien, die einen Garten besitzen. Und unterdessen müssen auch alle
Familien der Studierenden der Schule einen Familiengarten anlegen, vor
allem mit einheimischem Gemüse und Gewürzen. Das Problem der
Fehlernährung ist immer noch riesig. Die Menschen sind es einfach nicht
gewöhnt Gemüse und Früchte zu essen. Die Herstellung der täglichen
Tortillas kosten die Frauen 6-7 Stunden Arbeit täglich und trotzdem
finden sie, dass Gemüsesuppe kochen, zu viel Arbeit ist. Da braucht es
noch sehr viel Arbeit.
Die Fehlernährung, vor allem der Proteinmangel bei Kindern, führt auch
dazu, dass das Hirn nicht richtig ausgebildet wird und so vergessen sie
alles innert kurzer Zeit. Ich sehe das an meinen Frauen, die hier
arbeiten. Wir haben vor etwa 2 Wochen viel Kakao geröstet und dafür
eigens so etwas wie grosse Holzschaber zimmern lassen, um den Kakao gut
„umrühren“ zu können. Heute habe sie Chile geröstet und dazu wieder
meine Küchenutensilien geholt, um umzurühren, obwohl die „Holzschaber“
auf der Fensterbank lagen. Auf die Frage an Rosa, wieso sie die
Holzschaber nicht verwendet kam die Antwort von Rosa, die immer kommt –
ai, das habe ich vergessen. Und so geht das den ganzen Tag. Ich glaube
nicht, dass es schlechter Wille ist oder Interesselosigkeit, es ist
einfach Vergesslichkeit und das hat meiner Meinung sehr viel mit dieser
Fehl- und Unterernährung zu tun.
Heute
Morgen hat Rosa ganz stolz Cala (eine Art Palmensprössling)
gebracht, den sie billig gekauft hat – am Mittag hat sie einfach
vergessen, ihn mitzunehmen. Das ist das tägliche Leben hier – ziemlich
anstrengend, alles tausendmal wiederholen zu müssen ohne sauer zu
werden. Aber irgendwann wird es zur Routine und dann wird das
besser.
In der Schule selbst ist eine Veränderung im Gange, die uns zwingt,
umzudenken. Bis vor 2 Jahren kamen Schüler für das 7.-9. Schuljahr in
einem Durchschnittsalter von 18 Jahren. Seit diesem Jahr haben wir
jetzt die ersten 12-jährigen Kinder hier in der Schule.
Die Idee der Schule war es, Promotoren auszubilden, die das gelernte in
ihre Dörfer zurückbringen und auch ihren Vätern und Müttern das Gelernte
weitergeben. Die 7 bezahlten Promotoren sind alles ehemalige Schüler.
Das funktioniert jetzt mit den 12-jährigen Schülern nicht mehr. Erstens
werden die Eltern von ihnen nicht sehr viel annehmen, dafür sind sie zu
jung und auch Promotoren werden sie nach Abschluss des 9. Schuljahres
14-jährig kaum werden.
Wir arbeiten jetzt viel mehr mit den Eltern – sie müssen 5x pro Jahr
für Weiterbildungen ins Zentrum kommen. Auch die Promotorinnen besuchen
jetzt
alle Eltern alle 2 Monate und können so auch mit den Frauen etwas mehr
arbeiten. So ändern sich die Zeiten. Anfangs Schuljahr hatte ich damit
ein lustiges Erlebnis. Die Jungs brachten mir in Säcken Kuhmist für
meine Kompostwürmer. Am Abend stand neben 6 grossen Säcken mit Kuhmist
ein winzig kleiner Sack. Da wurde mir so richtig klar, dass wir jetzt
anders werden arbeiten müssen.
Aber
alle Lehrer sind sehr zufrieden mit den kleinen Erstklässlern. Sie
haben noch keine so feste Meinung und lassen sich sehr viel mehr
begeistern. Sie hören meist interessiert zu und zeigen auch mehr
Interesse. Und sie haben noch nicht Mädchen und Arbeit in Guatemala
Stadt im Sinn. So wird auch einiges leichter.
Um Ostern haben mich Catherine und Regina aus Bern besucht. Unter
anderem waren wir auch in den Bergen bei Dolores. (Im Bild Mitte
Dolores). In den Gärten gedeihen sehr schöne Gemüse, allerdings ist es
in der Trockenzeit sehr schwierig, weil die wenigsten fliessendes
Wasser haben. Fast alle Familien haben 2 riesige Wassertanks, mit denen
sie das Wasser
vom Regen auffangen (ein Projekt) aber das reicht nicht auch noch zum
Giessen, wenn 3-4 Wochen kein Tropfen Regen fällt. Auf dem Foto schöner
Lauch. In Setzol haben wir auch Kuchen gebacken. Das geht auch ohne
Ofen, habe ich lernen müssen und die Kuchen werden sehr lecker. In
einem grossen Tontopf wird das mit dem Teig gefüllte Rund-Blech
gestellt. Darunter wird sehr wenig Feuer gemacht, aber auf dem
gedeckten Ton-Topf muss es ganz schön glühen. Und es gibt einen sehr
guten Kuchen. Viele Frauen haben jetzt angefangen, diesen Kuchen zu
backen und zu verkaufen. Es bringt doch einen ganz schönen Gewinn. Und
der Kuchen schmeckt wirklich sehr gut.
Einige produktive Projekte von Ex-Schülern unterstütze ich mit
Kleinkrediten. Diese laufen recht gut und helfen den Familien, langsam
selbstständig zu werden und zu produzieren.
Auch das Projekt von der Schule in Chiacach läuft immer noch weiter.
Unterdessen studieren 6 SchülerInnen auswärts weiter – so etwas wie
Gymnasium meist mit einer Spezialausbildung nebenher wie
Automechaniker, Elektriker, Computerspezialist usw. Allerdings haben
wir da dasselbe Problem wie in der Schule hier. Die neuen 7. Klässler
sind 12- jährig und haben noch nicht das Verantwortungsbewusstsein wie
die ehemaligen Schüler die 16-jährig und mehr waren. Auch da werden wir
neue Wege suchen müssen. Aber auch da haben jetzt alle Familien einen
Garten und diese Gärten funktionieren sehr gut.
Mit diesem Kuchen aus Setzol wünsche ich Euch noch eine gute Zeit. Ich
hoffe, wir sehen uns in der Schweiz.
Bis
bald.
Helen
Spendenkonto: PC 49-8882-5 oder 30-204733-6 Helen Hagemann
12. Rundbrief aus Cahabón
Ende Dezember 2008
23.
Dezember 2008
Eben
komme ich zurück aus
Guatemala Stadt. Hektik, Verkehr, Gestank – Weihnachtseinkäufe wie in
der
Schweiz. Überall Weihnachtsbeleuchtung
und singende Weihnachtsmänner in klein
(sich bewegende Puppen) und gross (in
echt). Das Ho ho ho wird schon seit Wochen in Werbespots missbraucht
und tönt in jedem Einkaufszentrum. Die
Supermärkte sind voll mit Weihnachtsdekorationsmaterial, genau
dieselben Dinge,
wie in der Schweiz – die meisten Made in China. Sogar in den Stoffläden
finde
ich fast nur noch weihnächtliche Stoffe in Rot und Grün wie in den USA
üblich.
Und da lasse ich mich verführen und kaufe für meinen Tisch eines dieser
Tücher.
Plötzlich habe ich Sehnsucht nach einer Weihnachtskrippe und ein
bisschen
Schweizer Weihnachtsumgebung trotz schönstem Wetter und ziemlicher
Wärme. Ich
kaufe mir am Weihnachtsmarkt 2 Glocken, einen Ring und einen
Glitzerstern aus
Ästen, alles von einer Familie selbst hergestellt. Ich gehe zurück zu
dem Fair Trade Laden Chikach, den ich auch
mit unseren
Produkten beliefere und kaufe die Krippe aus Rabinal und einige
Püppchen dazu –
meine vorherige Krippe habe ich im Herbst in die Schweiz mitgenommen.
Ein
grosses Schaf aus Maiskolbenblättern, das ich letztes Jahr geschenkt
bekam,
bewacht nun meine kleine Krippe auf dem USA Farben Tischtuch.
Nach fast 8
Stunden Fahrt
komme ich mit einem Auto voll Plastikmaterial in Cahabón ziemlich müde
an. Es
sind vor allem grosse und kleine Behälter, die ich für die Produktion
brauche
und diese lade ich noch in fast völliger Dunkelheit aus im neuen
Häuschen für
die Produktion, Verarbeitung und Verpackung von hiesigen Produkten wie
Kakao,
Zimt, Pfeffer, Nägeli usw. aus.
Danach
geniesse ich die
„Stille“ in meiner Hängematte in Cahabón. Ich nehme die Laute der
nachtaktiven
Tierchen kaum wahr, höre aber die Trommeln, die Töne die durch Blasen
in grosse
Muscheln entstehen und die litaneiartigen Gesänge der 9 Posadas. Mit
Kerzen und
Gesängen wird meist eine Maria in einem geschmückten Häuschen von einem
Haus
zum andern und von einer Kapelle zur anderen getragen. In der
Mitternachtsmesse
werden sich dann alle in der Hauptkirche treffen. Zu dieser ganzen Zeit
gehören die vielen spitzen Knaller
der kleinen
Feuerwerkskörper der jüngsten männlichen Generation, die diese mit
grossem Elan
meist einzeln anzünden und dann wegwerfen.
24.12.2008
Ich
schlafe etwas aus. Dann
fange ich an Weihnachtsguezli -Rezepte zu suchen. Eigentlich suche ich
Amerikanerli, aber weder im Internet oder unter meinen Rezepten finde
ich meine
Lieblings- Weihnachtsguezli. Vor einigen Tagen habe ich versucht
Brunsli zu
backen mit unserem Kakao – frisch gemahlenen Kakao Bohnen. Mandeln habe
in
Guatemala Stadt gefunden, aber recht teuer. Die Guezli waren sehr gut
und im Nu
verteilt und gegessen.
Nun versuche
ich andere
Guezli. Im Internet finde ich etwas Spannendes – Cardamom-Hafer Guezli
(Rezept
am Schluss) – mit Margarine statt Butter
und diese erst noch gesalzen und
zusätzlich von unserer Schokolade oder besser gesagt, gemahlenen
Kakaobohnen,
hoffe ich, dass diese Guezli trotzdem gut schmecken. Sie schmeckten
wirklich
gut auch wenn ganz im Hintergrund die gesalzene Margarine ganz leicht
zu spüren
ist. Ich hoffe, ich finde noch irgendwo in der Hauptstadt ungesalzene
Butter
oder Margarine.
Dann mache
ich mich auf die
Suche von einem weiteren Rezept. „Heimlich“ habe ich nachts bei Isabel
in Biel damals
in der Schweiz aus einem Guezli -Kochbuch Fotos gemacht und darin ein
Rezept
für Mailänderli gefunden. Erst hier habe ich bemerkt, dass auch noch
die Variante
von weiss/brauen Mailänderli angeboten wird. Ich dachte, dass ich nur
braune
Mailänderli versuchen werde, weil ich ja Rezepte suche, in denen wir
unseren
Kakao mit einbeziehen können. Und so habe ich dem Mailänderli -Teig
noch
gemahlene Kakaobohnen und nochmals soviel Zucker beigegeben. Wie bei
Mailänderli
üblich habe ich die ausgestochenen Guezli der ersten 2 Bleche mit
Eigelb
eingestrichen. Da ich aber bemerkt habe, dass noch etwas Zucker fehlt,
habe ich
mich entschlossen, die Guezli zusätzlich und sehr unüblich bei
Mailänderli mit
Zuckerguss zu versüssen. Und siehe da, sie schmecken nach Mailänderli,
trotz
salziger Margarine, Kakaomasse und Zuckerguss Überzug. Wenn ich in der
Schweiz
bin, werde ich Isabel einmal diese Schoko- Mailänderli backen mit einem
herzlichen Gruss und Dank. Ich geniesse die Guezli ganz besonders, am
meisten
davon habe wohl ich selbst gegessen.
So nun habe
ich zum ersten
Mal hier Weihnachtsguezli gebacken und vielen Menschen damit eine
Freude
gemacht. Ich denke, dass wir diese Rezepte auch in der
Kommerzialisierung mit
einbeziehen werden.
Nachts gehe
ich zur
Mitternachtsmesse. So ungefähr um 9 Uhr solle sie anfangen. Als ich um
9 Uhr
ankomme, ist die Kirche gestossen voll und ich schlängele mich nach
vorne. Sehr
viele Familien mit vielen Kindern sind
anwesend. Und ich muss feststellen, dass die Messe eben gerade bei der
Wandlung
angekommen ist. Die Musik ziemlich laut, von einer charismatischen
Gruppe mit
grossen Lautsprechern gespielt und gesungen. Voll-Licht, keine Kerzen,
kein
Licht bei der ziemlich versteckten Krippe. Die Cofraden, die für 1 Jahr
gewählten „Chefs“ der Quartier Kapellen und damit auch der Posadas,
sitzen
vorne im Altarraum, in der Hand den Stab als Zeichen ihres Standes.
Ebenfalls
alle Marienstatuen in ihren geschmückten Häuschen der Posadas sind
anwesend und
die sie begleitenden Torritos (siehe unten). Nach dem Segen wird dann
endlich
das Licht bei der Krippe angezündet. Ich gehe nach vorne, um die Krippe
zu
sehen, aber o weh, davor ist eine ca. 120 cm hohe Mauer
aus Holz. Die Menschen knien
vor der Mauer um zu der Krippe zu beten. Aber leider ist nichts davon
zu sehen.
Später habe ich dann folgendes erfahren: Irgendwann im Sommer kam ein
Brief vom
Bürgermeister in dem reklamiert wurde, dass die Weihnachtskrippe an
diesem Ort
auf gestellt wird. Warum? Sie steht vor dem Grab
eines ehemaligen
Dominikaner-Priesters, der viele Jahre bis zu seinem Tod hier gewirkt
hat. Es
soll ein heiligmässiges Leben geführt haben. Eine Gruppe von Ladinos
hier in
Cahabón bemüht sich nun, den Priester
heilig sprechen lassen. Und diese Gruppe stört es, dass die
Weihnachtskrippe
sein Grab verdeckt, wie sie sagen! Super!
Draußen
warten viele
Menschen, um den Auszug der Posadas mitzuerleben. In der Zwischenzeit
spielen
die Jungs in den Torritos und tanzen.


Dann
erscheinen die 9 Posadas
hintereinander, singend und betend, mit Kerzen in den Händen. Jede
Posada geht
dann mit den eigenen Leuten in ihre Quartierkapelle zurück um dort das
traditionelle Weihnachtsessen zu geniessen. Es sind spezielle
Weihnachts-Tamales. Gekochte und feingemahlene Maismasse wird mit etwas
Schweineschmalz gemischt, damit sie geschmeidig wird. Daneben wird Fleisch
gekocht mit Kräutern, Tomaten, gerösteten und gemahlenen Kürbiskernen,
Weinbeeren,
getrocknete Pflaumen und einigem mehr. Mit der Masse wird eine Kugel
geformt
und diese gefüllt mit dem gekochten Fleisch und mit den Zutaten. Das
ganze wird
in Blätter gehüllt und zugebunden und danach 2-3 Stunden im Dampf gar
gekocht.

Lange noch
laufe ich der
Posada des Barrio San Pedro (Quartier San Pedro) wo wir wohnen nach und
schaue
noch zu, wie sie empfangen werden. Mit Böllerschuss und viele Geknalle
ziehen
sie in die Kapelle ein und ich gehe nach Hause.
Danach essen
wir zusammen mit
Christoph und einigen seiner Jungs noch Fondue Chinois mit selber
gemachten
Saucen und schon ist Mitternacht vorbei. Um Mitternacht hat jetzt hier
auch der
Brauch von Neujahr eingerissen. Sämtliche Familien lassen genau um
Mitternacht
und dann nochmals am Mittag am nächsten Tag ein riesiges gemeinsames
Geknalle
los mit zehntausenden Knallern in Ketten. Ein ohrenbetäubender Lärm
entsteht
für ca. 1 Minute. Danach herrscht totale Stille. Alle Tiere scheinen so
erschreckt, dass sie weder zirpen, noch bellen, noch Krähen. Es braucht
einige
Minuten, bis das Leben wieder von neuem anfängt.
Weihnachten
in Cahabón
Der Weihnachtszyklus in
Cahabón fängt eine Woche vor dem 8. Dezember „Maria unbefleckte
Empfängnis“ an.
Für dieses Fest soll alles Böse getilgt werden – und das Böseste von
allem ist
der Teufel, also soll er vernichtet werden. Und da der Teufel recht
widerstandsfähig ist, wird er gleich 7-mal symbolisch verbrannt, an
jedem der 7
Abende ein mal. Meist werden pro Abend mehrere Teufe verbrannt und
weitere
Teufel tanzen mit. Jede der 7 Kapellen der Dorfquartiere bestreitet
einen
Abend. Tanzende Teufelgestalten wandern durchs Dorf, meist begleitet
von einer
Marimba. Die Teufel tragen auf dem Rücken ein Rad mit Krachern, die
nach dem
Eindunkeln vor der Kirche angezündet werden. Tanzend und mit viel
Krach,
Böllerschüssen und Geschrei wird so der
Teufel verbrannt. Am letzen Abend mit
anschliessendem grösseren Feuerwerk.
 |  |
So wird das Fest für die
Maria am 8. Dezember vorbereitet. In eine reine Welt ohne Versuchung
soll sie
kommen. Mit einem grossen Gottesdienst und Prozession mit der
Mariastatue –
Cahabón heisst mit vollem Namen: Santa Maria Cahabón,
die Schutzheilige ist Maria, wird
dieses Fest und die Maria als Mutter von Jesus gefeiert.
Die
Torritos sind fast immer
dabei. Es sind Stiere geformt meist aus einem Holzgestell und
geflochtenen
Matten, die meist kunstvoll bemalt ist.
Darunter schlüpfen Männer und Buben. Sie begleiten fast alle
traditionellen
Feste und Umzüge. Sie haben bestimmte Tänze, die sie immer wieder
aufführen.
Hier im Bild die kunstvoll bemalten Torritos bei dem Umzug der Motoxes
und
Jungs vom Barrio San Pedro unter ihren Stieren.
Am Abend des
8. Dezember
versammelt der Rey Fiero – der wilde oder hässliche König – den grossen
Teil
der Dorfbevölkerung im Gemeindesaal. Der Rey Fiero trägt eine Maske und
jetzt
kommen fast alle Persönlichkeiten des Dorfes an die Reihe. Über jeden
wird Intimstes
und Öffentliches – Gutes oder Schlechtes erzählt, was er so über das
Jahr
geleistet oder eben nicht geleistet hat. Manches geht für uns Europäer
auch
unter die Gürtellinie. Aber die Menschen amüsieren sich köstlich. Am
nächsten
Tag tanzen dann verkleidete Männer durch das Dorf. Sie tragen Kleider
der
Frauen und Männer und deren Namen auf dem Rücken, die veräppelt werden.
Vieles
erinnert mich dabei an die Basler Fasnacht, Schnitzelbänke und
Laternen, die ja
auch das politische Geschehen und Personen kommentieren.

Jetzt fangen
die Posadas an.
Jeden Abend ziehen sie durchs Dorf. Singend,
betend, mit Trommeln, Muscheln und Schildkrötenpanzer zum Trommeln.
Manchmal
mit, manchmal ohne Megaphon. 9 verschiedene Posadas gab es dieses Jahr.

Eine weitere „Prozession“ in
dieser Zeit sind die „Motoxes“. Sie ziehen am Heiligabend durchs Dorf
und
besuchen Krippen in Privathäuser und Kapellen. Es sind Hirten (rosarote
Masken)
und Juden (weissgelockte) begleitet von
Torritos,
Geigen und Gitarre (selbstgebaute Gitarre aus einem Kürbis), Muscheln,
Trommeln. Es sind die Hirten und Juden, die als erstes Jesus besuchen.
An jedem
Ort erzählt einer die Geschichte des Besuchs bei Jesus. Dann tanzen
zuerst die Hirten
vor den vorbereiteten Krippen und danach die Juden. Hirten und Juden
haben je ihre
besondere Musik und Tanz. Danach gibt es Kakao zum Trinken und Kuchen
für alle,
die mitmachen und mitlaufen.


Auch
das gehört zu
Weihnachten, viele Verkaufsstände und neuerdings sogar ein Riesenrad.
Cahabón am Abend des 2.12.2008

Ich hoffe ihr hattet
alle wunderschöne Weihnachten
und
wünsche Euch allen
viel Glück, Gesundhit,
Liebe,
Frieden und Erfolg
für das Jahr 2009.
Gottes Segen begleite
Euch auf allen Wegen.
Mit lieben Grüssen
aus Cahabón
Helen
REZEPT CARDAMOM-HAFER GUEZLI
ZUTATEN
Für 70
Stück
175 g Butter, weich
225 g Rohzucker (hatte leider nur
Weisszucker)
80 g Kakaobohnen gemahlen oder
Zartbitterschokolade
80 g Zucker
zusätzlich, wenn Kakaobohnen
1
Päckchen Vanillezucker
1 Msp. Salz,
1
Ei
1 TL Zimtpulver,
1
TL Kardamompulver
100 g Mehl,
1/2
TL Backpulver
350 g Haferflöckli,
125 g Korinthen oder
Sultaninen, gehackt
ZUBEREITUNG
1 Butter rühren, bis sich
Spitzchen
bilden. Zucker, Vanillezucker und Salz dazurühren. Ei beifügen und
rühren, bis
die Masse hell ist. Geschmolzene Schokolade (oder gemahlene
Kakaobohnen) daruntermischen,
Gewürze, Mehl und Backpulver mischen, dazusieben. Mit Haferflöckli und
Korinthen oder Sultaninen darunter ziehen.
2 Mit zwei Löffeln
baumnussgrosse
Teighäufchen auf ein mit Backpapier belegtes Blech geben, leicht flach
drücken.
3 In der Mitte des auf 180 °C vorgeheizten
Ofens
13-17 Minuten backen.
13. Rundbrief aus der Schweiz Dezember
2009
Weihnachten – auch das gehört dazu. Ohne die stillende
Brust
seiner Mutter, hätte Jesus keinen Tag überlebt und trotzdem sieht man
kaum
Bilder einer stillenden Maria. Aber es
gibt sie. Als ich vor kurzem am
Fernsehen das Innere der Geburtskirche Jesu sah, kam es mir plötzlich
in den
Sinn. Damals auf der Reise durch die Lebensräume Jesu mit Thomas Staubli,
sah ich
das Bild in der Geburtskirche an der Wand hängen. Eine stillende Maria
mit dem
Jesuskind. Gemalt irgendwann vor langer
Zeit. Mir ist Jesus dadurch näher gekommen, menschlicher geworden.
In
Guatemala ist dies ein alltägliches Bild, Kleinkinder werden überall
gestillt,
dieses Mädchen auf dem Bild auch während der Taufe in der Kirche. Eine
Scheu
oder Ehrfurcht hat mich meist davon abgehalten, dieses intimste
Geschehen
zwischen Mutter und Kind
zu fotografieren. Nur manchmal habe ich halt doch gefragt, wie auf
diesem Foto
zu sehen ist. Ungewohnt waren auch Momente, in denen nach dem Stillen
eines
Kleinkindes noch schnell der 4-5 jährige Bruder bei seiner Mutter
Geborgenheit
suchte und an der Brust im Stehen Milch trank. Die Mutter störte dies
nie. Da
viele Mütter alle 1-2 Jahre ein Kind gebären, sind sie fast immer am
Stillen.
Kinder, deren Mütter keine Milch haben, haben meist keine
Überlebenschancen.
Dass andere Mütter von ihrer Milch abgeben, ist hier nicht Sitte und
Milch zu
kaufen, dafür fehlt das Geld.
Weihnachten
in der Schweiz. Für alle, die ich noch
nicht erreicht habe. Ich bin anfangs Oktober nach 7 Jahren Guatemala
wieder in
der Schweiz zurückgekommen, zusammen mit Halunk, einem der Hunde, der
mit mir in
Cahabón gelebt hat.
Es
ist gar nicht so einfach loszulassen. Immer wieder sehe ich vor meinen
Augen Bilder
und Szenen, einige machen mich traurig, andere bringen mich zum Lachen,
bei
wieder andern empfinde ich Glück und Zufriedenheit. Guatemala wird mich
wohl
nie ganz loslassen. Zum Glück gibt es unterdessen auch in Cahabón Internet
und
die Menschen haben gelernt, damit umzugehen. So bricht der Kontakt über
das
grosse Meer nicht ganz ab.
Ich
habe meine Arbeit übergeben an das Instituto Fray
Domingo de Vico in der Hoffnung, dass die Arbeit mit
den Familiengärten,
mit den Kochkursen, Hygieneunterricht, Brot und Kuchen backen usw.
weitergeführt wird. Dolores, die Promotorin, die in den Bergen mit
Familien
Gärten anlegt und diese betreut, werde ich noch weiter bezahlen. Sie
hat
gelernt Brot zu backen und wird auch dies weiter geben können. Ich habe
vor
meiner Abreise noch einige Familien besucht. Die tränenüberströmten
Gesichter
der Frauen beim Abschied werde ich wohl nie in meinem Leben vergessen.
Das
Leben vieler Familien hat sich in diesen 7 Jahren grundlegend geändert.
Vielen Familien
und Menschen durfte ich durch meine Arbeit und mein Dasein helfen und
sie ein
Stück Lebensweg begleiten. Viel habe ich von diesen Menschen empfangen.
Weiter
begleiten werde ich wohl die StipendiatInnen, deren Studium ich bezahlt
habe,
oder immer wieder eingesprungen bin, wenn das Geld des Stipendiums
nicht
ausgereicht hat. Einige Beispiele. Da ist einmal Angelica, die im April
2010
ihr 12. Schuljahr abschliesst mit dem Diplom, mit dem sie als
Sekretärin
arbeiten oder an die Uni kann. Da ist Victor, der das 13. Schuljahr
Ende 2009
abgeschlossen hat mit einem Diplom als Automechaniker, auch er könnte
nun an
die Uni. Anibal, der als Diplomlandwirt auch Ende 2009 abgeschlossen
hat, er
wird wohl 2011 an der Uni weiter studieren, nachdem er etwas Geld
verdient hat.
Da ist Reginaldo, der Betriebswirtschaft studiert und zusammen mit
einem Lehrer
mit Bambus arbeitet, Stühle, Sofas und Möbel herstellt. José Reyes, der
das
Studium für Oberstufenlehrer Ende Jahr abgeschlossen. Hermelindo, dem
ich mit
Kredit für einen Brot Ofen und Landkauf geholfen habe, der wohl erst
nächstes
Jahr anfängt zu studieren, da sein Bruder jetzt die Schule
abgeschlossen hat.
Mit ihnen alles bin ich per Internet verbunden.
Auch
die Kommerzialisierung, die ich in den letzten 2 Jahren im Instituto
aufgebaut
habe, hat gute Chancen den Menschen etwas besseren Verdienst zu
bringen. Es ist
allerdings schwierig und teuer, Bewilligungen für den Verkauf von
Lebensmitteln
zu bekommen. Am Tag vor meinen Abflug habe ich die Bewilligung für den
Verkauf
von 20 Produkten im Ministerium abgeholt und darauf bin ich stolz.
Das
Gesetz bevorzugt die grossen Hersteller und transnationalen Konzerne,
die
Millionen des gleichen Produktes verkaufen. Jede Bewilligung, und die
gilt nur
für 3 Jahre, kostet Q 1500.00, das ist sehr viel Geld, wenn man
bedenkt, dass
zum Beispiel eine Schoko-Kugel Q 1.20 kostet oder das Kakao-Pulver Q
18.00
inkl. der Mehrwertsteuer von 12%. Eigentlich können sich die kleinen
HerstellerInnen das gar nicht leisten. Die Kosten für die Bewilligungen
hat für
den Anfang glücklicherweise ein Hilfswerk übernommen. Alle
Zutaten stammen aus Cahabón mit Ausnahme des Zuckers. Da das
Institut daran ist, mit den Bauern den Kakaoanbau zu verbessern, Zimt-,
Pimienta Gorda und Nägelibäume und Pfefferpflanzen anzubauen wird der
Verkauf
dieser Produkte und weiterer neuer Produkte den Bauern in Cahabón einen
bessern
Verdienst bringen.
Probleme
wird den Bauern wohl die Klimaänderung bringen. Sie ist sehr stark
spürbar.
Seit meiner Ankunft vor 7 Jahren hat sich die Regenmenge fast halbiert.
Das
tropisch-feuchte Klima, das zum Beispiel Kardamom braucht, verändert
sich. Die
Ernte der 2 Hauptgeldbringer in Cahabón, die Kakaoernte, sowie die
Kardamomernte waren dieses Jahr sehr gering, da der nötige Regen
gefehlt hatte.
Der über Jahrhunderte gut berechenbare Anfang des Regens im Mai nach
der
Trockenzeit ist nicht mehr berechenbar. Schon 2 Jahre hintereinander
mussten ein
grosser Teil der Bauern den Mais 2-mal aussäen, weil der Regen nicht
zur
richtigen Zeit kam. Nach der Saat ein einmaliger Regen, der den Mais
spriessen
liess und danach wieder 3-4 Wochen ohne einen Tropfen Regen, der alles
wieder
verdorren liess. Viele Bauern haben das Geld für eine 2. Saat nicht.
Der Mais,
der im Januar geerntet wird, ist dieses Jahr an vielen Orten
vertrocknet, bevor
er Maiskolben gebildet hat. Ich hoffe, dies geht nicht weiter so.
Allerdings
habe ich in einer Berechnung des zukünftigen Klimas mit Schrecken
festgestellt,
dass Zentralamerika der Zone der
Trockenheit zugerechnet wird.
Die
Situation in Guatemala hat sich in den letzten Jahren einerseits
gebessert aber
andererseits auch verschlechtert. Es gibt sicherlich mehr Menschen,
denen es
etwas besser geht. Viele Menschen sind aus ihren weit entfernten
Bergdörfern
heruntergekommen in Dörfer in der Nähe von grossen Strassen. Es sind
aber auch
viele Strassen entstanden, die die Menschen etwas näher an die
Zivilisation
bringen. Es wird einfacher, Landwirtschaftsprodukte, Kunstobjekte und
Websachen
zu verkaufen.
Es
wurden sehr viel Schulen gebaut, sehr viel mehr Kinder haben nun Zugang
wenigstens zu einer Grundschule. Es wurde Arbeit geschaffen, vor allem
in
Einkaufszentren, Schnellimbiss-Ketten, Autowerkstätten, Banken und
grossen
Verkaufsketten, die Fernseher, Computer, Herde, Waschmaschinen,
Kühlschränke
und Wohnungseinrichtungen verkaufen. Unterdessen kann ich in Guatemala
alles
einkaufen, was es hier in der Schweiz gibt, inklusive Fondue-Caquelon und den
passenden
Käse dazu.
Die
Globalisierung ist in die letzten Winkel Guatemalas vorgedrungen und
damit auch
der Konsum. Die Menschen wollen auch dazu gehören, die Propaganda für
all das
Neue ist sehr aggressiv. Also kaufen sie in den Dörfern Coca Cola,
Kaugummi,
Fertigsuppen und Chatarra (Schrott), kleine Tüten mit 4-5 g von
frittiertem
Kartoffelschaum, gut gesalzen und gewürzt, 4-5 g süsse frittierte
Schäumchen
usw. Kein Nährwert, aber viele Kinder kaufen dies vor dem Essen und
haben dann
keinen Hunger mehr für richtiges Essen. Wenn ein Kind zwängt, bekommt
es
schnell mal etwas Kleingeld und rennt in den Laden, um sich was zu
kaufen. In
jedem kleinsten Dörfchen gibt es inzwischen kleine Läden. Mit diesen
kleinen
Läden wird recht viel Geld verdient und es gibt Tausende davon in
Cahabón.
Manchmal
frage ich mich trotzdem, woher das ganze Geld kommt. Auch
weiterführende
Schulen oder das Lehrerstudium sind sehr teuer. Viele LehrerInnen
beginnen ihre
Arbeit mit einem Schuldenberg von Q 15-20'000. Viele Menschen leben auf
Pump.
Selbstmorde von Vätern, die sich nicht mehr zu helfen wissen, nehmen
zu. Alles
kostet Geld heute und ist teurer geworden, aber die Preise für die
Landwirtschaftsprodukte sinken.
Guatemala
hat Freihandelsabkommen mit Mexiko und den USA und ist am Verhandeln
von neuen
mit der EU und China. Im Endeffekt läuft es bei allen diesen
Freihandelsabkommen auf dasselbe hinaus. Guatemala muss alle Waren aus
den
Ländern der Freihandelspartner akzeptieren, aber der Export aus
Guatemala in
diese Länder wird mit allen Mitteln behindert. Wie mir der Direktor
einer
Export-Kooperative, die seit Jahren mit Erfolg Gemüse in die USA
schickt
erklärte, kommen seit dem Abkommen mit den USA die Hälfte der mit
Gemüse
gefüllten Containern wieder retour. So läuft dies nicht nur in
Guatemala,
sondern auf der ganzen Welt. Moderner Kolonialismus.
Eine
weitere Gefahr in Guatemala ist die Produktion von Ethanol aus Mais.
Die
Menschen leben von Mais, es ist das Hauptnahrungsmittel. Jetzt tauchen
in der
Nähe von Strassen plötzlich Männer auf, die das ganze Maisfeld einfach
kaufen
und mit Maschinen abernten. Die Bauern sehen das schnelle Geld, ohne
arbeiten
zu müssen. Aber das Geld reicht niemals, um den Mais zu kaufen, den das
Feld
produziert hätte, um die Familie zu ernähren. Obendrein bleibt das
abgeerntete Maisfeld
ungeschützt Wind und Regen ausgesetzt. Dazu kommt, dass an vielen Orten
Urwald
von Reichen illegal gerodet wird, um Ölpalmen anzubauen. Oder noch
einfacher
für die Grossgrundbesitzer, man vertreibt einfach die Bauern von ihrem
Land,
wenn sie nicht billig verkaufen, werden sie einfach bedroht.
Das
schlimmste wohl für alle Einwohner ist die grosse Kriminalität in
Guatemala. Die
tägliche Unsicherheit. Das Leben zählt nichts mehr. Jeden Tag werden
allein in
der Hauptstadt 20-25 Menschen umgebracht. Aber die Kriminalität bleibt
nicht
mehr in den grossen Städten. Die Familie eines Arbeitskollegen wohnt in
San Jerónimo.
Ein beschauliches Dorf mit vielleicht 2000 Einwohnern. Immer war es
ruhig hier,
keine Einbrüche, keine Morde. Letztes Jahr wurde nun 2 Häuser von
seinem
Häuschen entfernt, ein Schwager aus seinem Haus gezerrt und auf der
Strasse
erschossen. Ein Halbbruder, der am Waschen eines Busses war und das
Ganze mit
angesehen hatte, wurde ebenfalls erschossen. Dieses Jahr im Frühling
wurde in
sein Haus eingebrochen und einiges gestohlen. Vor 2 Wochen wurde der
Hund Rocky
– ein Bruder meines Hundes - betäubt, die Leute brachen ein und stahlen
alle
seine Hühner und Kaninchen. Die Menschen haben Angst – alle Menschen.
Etwa 2%
der Verbrechen werden aufgeklärt.
Die
sogenannten 3-Welt-Länder haben es schwierig, der Hunger nimmt weltweit
zu. Die
Gewalt nimmt weltweit zu. Es läuft in etwa auf der ganzen Welt im
gleichen
Schema. Auch in unseren sogenannten entwickelten Ländern läuft es nicht
sehr
gut. Besitzstandwahrung heisst es hier. Etwas davon abgeben macht Angst.
Schaue ich das Ganze an, gibt
es kaum
Hoffnung.
Schaue ich aber die vielen
Millionen
einzelner Initiativen und Schritte an,
dann gibt es sehr viel
Hoffnung.
Der Widerstand gegen all die
Ungerechtigkeit wächst weltweit.
Es gibt Millionen guter
Initiativen, die
Menschen stärken.
Es gibt Millionen Menschen,
die sich für
andere einsetzen.
Es gibt Millionen Menschen,
die sich per
Internet vernetzen.
Es gibt Millionen Menschen,
die gegen
die Ungerechtigkeit kämpfen.
Es gibt Millionen Menschen,
die sich für
die Umwelt einsetzen.
Es gibt Millionen Menschen,
die an einen
Wandel glauben.
Es gibt Milliarden Kinder und
Jugendliche die diese Hoffnung in ihren Herzen tragen.
Mit dieser grossen Hoffnung im
Herzen
wünsche ich Euch Allen
gesegnete
Festtage
und
einen fröhlichen Rutsch ins
2010
Und mit den 2 Jungs auf dem
Foto
GLÜCK, ZUFRIEDENHEIT,
GESUNDHEIT,
FRIEDEN, TEILEN
UND GOTTES GROSSEN SEGEN
FÜR DAS NEUE JAHR 2010
Helen Hagemann
Es würde mich freuen, von Euch zu hören.
|